Wen interessierts?

Was macht Bayreuth zu Bayreuth? Was macht das Leben in Bayreuth lebenswert?

Bayreuth ist ein belangloses Kaff, in dem sich mal ein relativ bekannter Komponist verdingt hat. Hitler war auch mal da, Liszt ebenfalls. Alice Weidel und KTG haben hier studiert. Wer das Bayreuth des einundzwanzigsten Jahrhunderts besucht, sucht gleichzeitig auch nach der einstigen “Grandiosität” dieser Stadt, die heute kaum mehr als die elitären Festspiele und die “renommierte” Universität zu bieten hat. Die Stadt Bayreuth ruht sich hauptsächlich auf den einstig erbrachten Werken längst Gestorbener oder mittlerweile woanders Wirkender aus und versinkt in kultureller Belanglosigkeit.

Bayreuth ist quasi das Bermuda-Dreieck des Aktionismus. Egal ob Kreativität, Innovation oder das gemeinsame Leben – sämtliche Ideen verlaufen in der Bedeutungslosigkeit, weil sich niemand so recht dafür interessiert. 

Jeder Versuch, die Stadt zu etwas Besonderem zu machen, wird ziemlich schnell einem Realitätscheckunterzogen und ernüchtert eingestampft. Außer einmal im Jahr natürlich, dann wenn die Helikopter in Berlin angeschmissen werden, die kulturell gebildete Elite des Landes mit den Hufen scharrt und manche Studis sich wie Statisten unter das Polit-Promi-Volk mischen. Gut ist, man kann seine abgeranzte Studenten-Schabracke überteuert an reiche Rentner vermieten. Nur dass all der Glanz mit den Gästen wieder verschwindet.Bayreuth war sowieso nur die Kulisse für Muttis Modenschau. Die Von-und-Zus des Landes flüchten aus der Stadt wie die Fußball-Fans aus Doha, es gibt hier ja eh nichts mehr zu sehen. FIFA bescherte Katar die WM, Wagner Bayreuth seine Festspiele. In diesem Sinne teilen wir das Leid der Kataris, die genauso den Müll, den das in kurzer Zeit abgebrannte Feuerwerk  da  hinterließ, aufkehren müssen und ein Leben inmitten einer pompösen Eventkulisse ohne Event führen dürfen. 

Doch dafür ist Bayreuth immerhin eine lebhafte Universitätsstadt!Man mag meinen, dass die Studierenden aus aller Herren (Bundes-)Länder der Stadt frischen Wind einhauchen könnten, doch außer an der Uni büffelnd, in den Bayreuther Gassen Bierflaschen schwenkend oder in Baumhäusern bockend sieht und hört man von Studierenden nicht sonderlich viel.

Es bedarf folglich keiner besonderen Beobachtungsgabe, um festzustellen, dass selbst die gemeinsam unter der Tristesse Leidenden zusammenhalten. – So wie Aschenbrödel die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen sortieren musste, so wird auch in Bayreuth unterschieden – zwischen Franken und Fremden. Diese Dichotomie mag gottgegeben sein, doch wirft sie auch verschiedene Fragen für das Zusammenleben in einer Nicht-so-viele-Einwohner-Stadt wie Bayreuth auf. Opportunistische Studierende streifen durchs Land auf der Jagd nach dem besten Abschluss, der Erfüllung ihrer feuchten Träume und Möglichkeiten zum Verbrauch ihrer jungen Jahre. In Mietnomaden-Manier ziehen sie landaus- und einwärts, doch wie können und dürfen die Wandernden während ihrer kurzen Sesshaftigkeit die Stadt prägen und verändern? Sollte sich dieser Aktionismus ausschließlich auf ihr natürliches Habitat – die Uni – beschränken, oder sollten auch Aktionen hinsichtlich des “großen Ganzen” unternommen werden, wie z.B. die Rettung des Klimas mit hilfe Behausungen in Bäumen oder der Zweckentfremdung von Sekundenkleber und Hauptstraßen? 

Die Ignoranz für und von Studenten erinnert in seiner Bipolarität zwischen Hochkultur und Bürgertum an ein bürgerliches Trauerspiel. Den Dialog zwischen Bleibenden und Gehenden hat es nie gegeben, weswegen es fraglich bleibt, ob er fruchtbar und erkenntnisreich gewesen wäre. Herausfinden wird es so schnell keiner, denn auch die bisherigen Versuche, die verschiedenen Leben tangieren zu lassen, sind kläglich gescheitert. Klar ist, dass das Ansehen der Studierenden nicht sonderlich glanzvoll sein kann, wenn alles, was sie nach außen preisgeben, der enthemmte Genuss von alkoholischen Getränken und Ruhestörung innerhalb von Mehrparteienhäusern oder auf den Straßen Bayreuths ist. Die Forderung eines Imagewandels wäre illusionär und wem könnte man die Verweigerung einer Verhaltensänderung verdenken, wenn Bayreuth mit seiner Ereignislosigkeit junge Menschen schon förmlich in die Alkoholsucht drängt? Was gibt es hier sonst zu erleben, als die Entgleisung des Selbst, das Austesten der eigenen Grenzen, die Provokation, die Flucht nach vorne? Nur wenige würden von sich behaupten, dass sie in Bayreuth ihre Zukunft sehen würden. 

Während sich die Schlangen vor der Fabrik bis zum Hohenzollernring erstrecken, sind die Säle des Neuneinhalbs spärlich besetzt; während sich andere ehrenamtlich um geplatzte Reifen und lockere Bremskabel fremder Räder kümmern, versuchen sich die anderen vom Lernen Chai-Latte-süffelnd zu regenerieren; während sich die einen den nächsten Joint anzünden oder auf der WG-Toilette Pep ziehen, quälen sich die anderen zu lauter, gehirnmassereduzierender Musik auf der Hantelbank; Jeder scheint sich bezüglich seines Lebensentwurfs spezialisiert zu haben und schaart sich im Kreise der Gleichgesinnten. Solange es einem selbst gut geht, ist der Rest uninteressant. 


Auf der Mesoebene, innerhalb der Stadtgrenzen, ist das Leben der Studenten von keiner gesellschaftlichen Relevanz. Nun ja, wohl eigentlich auf keiner Ebene. Die Existenzen der Geduldeten verlaufen asymptotisch zu den sog. Hiesigen.. Doch auch ein Blick in die mehr oder weniger homogene Gruppe der sog. “akademischen Elite” zeigt Spaltung, Ignoranz und Apathie. Ganz und gar unterschiedliche Lebenswandel und Tagesrhythmen verhindern Berührungspunkte innerhalb derjenigen, die vermeintlich im gleichen Boot sitzen. Der FALTER soll das gedruckte und verbalisierte Spiegelbild der Campuskultur der Universität Bayreuth sein, doch auch diejenigen, die schon seit mehr als sechs Semestern ihr Leben hier fristen, fragen sich, welche Kultur man hier eigentlich festhalten soll. Was verbindet uns Studenten heute noch? Was ist der kleinste gemeinsame Nenner? Ganz klar: das Nicht-Gehörtwerden von Institutionen. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es heute nicht wie zu 68er-Zeiten eine “gemeinsame” Stimme gibt, sondern vielleicht, dass es gar keine Stimme gibt.

Dass es trotzdem Kommilitonen gibt, die dafür sorgen wollen, dass die studentischen Interessen Gehör finden, erinnert an die Chrysopoeia der Alchemisten, also ihren Versuch, aus Blei Gold herzustellen. Auch wenn dieser Versuch nie erfolgreich war, trugen sie wesentlich zur Entstehung der Metaphysik bei. Das Zentrum der Alchemie, das Studierendenparlament (StuPa), befindet sich in Bayreuth in einem unscheinbaren Mittelbau zwischen ZUV und Studentenwerk. Auch ihr Ziel, sich der uneingeschränkten Unterstützung der Hochschulleitung oder der Politik sicher sein zu können, scheint unerreichbar, wohingegen ihre Beiträge zur Metaphysik des Bayreuther Studilebens, also der Frage, was das Wesen der Bayreuther Studis ausmacht und warum die Universität Bayreuth überhaupt existiert, unbewusst von unschätzbarem Wert sind.

Der ignorante Student bekommt davon gar nichts mit und ist generell der Meinung, dass das alles nichts bringt.

Da gibt es doch tatsächlich Menschen, die im StuPa bis zu 20 Stunden pro Woche ihrer Freizeit aufbringen, um sich dort zu engagieren und die Universität zu einem lebenswerten Ort zu machen. Im Gespräch mit ihren Vorsitzenden, Milan und Felix, wird schnell klar, dass es ihnen dabei um die Sache und nicht um den Lebenslauf geht.

“Man investiert so viel Zeit, wie man eben möchte”, erklärt Milan Tartler, vier Tage vor Weihnachten. Er wird nach uns nach einer Stunde verlassen müssen – eine Sitzung ruft.

Ein wenig stört es sie ja schon, dass nur 15% der Studis den Weg zur Wahlurne finden (wollen), im Übrigen durch die Urabstimmung zur Parkraumbewirtschaftung eine ungewöhnlich hohe Zahl im Vergleich zu sonst und sonstigen Hochschulen. Immerhin ist die Wahl eine Legitimation ihrer Arbeit. Mehr ist da allerdings wohl nicht zu holen, da kann nicht mal ein Wahl-O-Mat was dran ändern. Auf jene ignorante, nicht wählende Studierende angesprochen, beschwichtigt Felix, man könne bei der Auslastung durch die akademischen Verpflichtungen schon verstehen, dass sich Studis abgesehen von der notwendigen ECTS-Akkumulation nicht engagieren. Die Ignoranten ignorieren und die Engagierten verstehen es.

Was für die aber weniger verständlich ist: wieso stellt die Universität ihnen nur einen schmalen Taler zur Verfügung? Das StuPa stellt damit trotz begrenztem Budget einiges auf die Beine:

Eine Paketstation auf dem Campus, der CampusAktivPfad, die Unterstützung der Initiative “PeriUBT” für kostenlose Menstruationsartikel, unzählige Veranstaltungen wie die “Campus Kultur Woche”, das “Campus spricht”-Format, das Uni-Open-Air sowie UBTconnect, einer Vernetzungsplattform für Studierende, die während Corona entstanden ist, und Vieles mehr.

Wo es kein Geld braucht, sind die Früchte ihrer Arbeit wesentlich ergiebiger: Eine strengere Klausurenobergrenze wurde verhindert, es wurde sich für die Präsenzlehre stark gemacht und durch die Urabstimmung die Möglichkeit geschaffen, Studierende direkt an für sie wichtigen Entscheidungen zu beteiligen.

Viele wissen von solchen Erfolgen nichts, trotzdem sehen die beiden Vorsitzenden darin kein Kommunikationsproblem, denn sie bespielen alle möglichen Kanäle. Social Media ist seit Corona sowieso eine Krux. In den E-Mail-Verteiler kommt nur, wer sich meldet, Infos bekommt also nur, wer sie will. Eine Kommunikation mit dem Brecheisen befürworten sie dann doch nicht. Das wäre wohl auch nicht zielführend, kann man sich dem Weltgeschehen doch gleichermaßen entziehen. Wieso also nicht auch der Hochschulpolitik?

Doch hier offenbart die StuPa’sche Metaphysik einen nur zu leicht gemachten Denkfehler: wer studiert, nimmt für sich selbst in Anspruch, die Gesellschaft einmal zu prägen. Wieso also kann man von Studierenden nicht erwarten, diesem Anspruch auch in Bezug auf ihren Campus gerecht zu werden? Flutet also ihre Postfächer, gebt das UniNow frei und unseretwegen auch CMLife. Es wird Zeit, den ignoranten Studis ganz im aufklärerischen Sinne aus ihrer selbstverschuldeten Belanglosigkeit zu verhelfen.

Eine Universität ist ein Ort des Diskurses, hier kann es einem um die Sache gehen. Aber um einen selbst dreht sich hier schon mal gar nichts – auch wenn sogar im altruistischen Motiv ein egoistischer Kern steckt, vermutlich auch bei denen im StuPa. Sowieso eint uns doch der Wille, an dieser Mammutaufgabe des Studiums zu wachsen, nicht nur akademisch, auch persönlich. Der Campus, nein Bayreuth, ist dabei unser Reagenzglas, in dem wir experimentieren, durch das wir Erkenntnisse sammeln und vielleicht auch Fehler machen können. Also lasst dieses Studium nicht im RW-Café an Euch vorbeiziehen, macht was draus. 

Am Ende ist der Ursprung der Ignoranz ein bisschen wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei, denn wagt man einen Blick in die Politik, kehrt sich ignorantes Verhalten wieder um. Politiker meinen, Studierende würden es schon irgendwie über die Runden schaffen, immerhin würden die meisten eh von bonzigen Eltern mit Geld überhäuft und zudem gäbe es ja keinen Zwang zum Studium, man könne ja auch eine ordentliche Ausbildung absolvieren. Entlastung von Seiten des Staates gibt es demnach lange keine, selbst dann nur 200€. Da fragt man sich, wer wen zuerst ignoriert hat. Das Ei möchte aber bekanntlich klüger sein als die Henne, insofern wäre es gar nicht verkehrt, es mit der Ignoranz einmal sein zu lassen und auch mal zlur Abwechslung mal mehr als nur tatsächliche Fußstapfen auf dem Rondell zu hinterlassen. 

Die nächste StuPa-Sitzung ist am Dienstag, den 07.02.2023, im Glasmittelbau der Universität Bayreuth – traut euch! Und wenn man selbst keine Zeit für’s Engagement hat, so kann man das der anderen zumindest auf Social Media verfolgen: @stupa_ubt.

Von Marius Hörst und Antonia Trieb im Gespräch mit Milan Tartler und Felix Kaiser.

Antonia Trieb
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