Die Nacht gehört den Aussätzigen

Von Raphael Guba

Letztens erst, als ich mit vier strammen und überaus charmanten Nutriadamen beliebigen Kartenspielen, dem Genuss von Bier und Schnupftabak nachgegangen bin, hier geht es ruppig her, bot mir das frechste der Nutrias etwas an, was man nur schwerlich ausschlagen kann. Vermutlich war diese Idee mehr eine Verzweiflungstat, denn früher oder später dreht sich bei uns immer das Tischgespräch um die Echtpelzdebatte und Pulled Pork nach Südstaatenmanier. Das ausfällige Biest schlägt doch tatsächlich vor, ein Tanzlokal zu besuchen. Ich willige ein, die Nutrias verkleiden sich wie Menschen und wir taumeln in die Nacht.

Die, denen Allüren vorgeworfen werden, legen eine besonders kryptische Lebensweise an den Tag, Pardon, die Nacht. Wie ich der Szenerie praktisch beiwohne und quasi selbst zum integralen Bestandteil dieser werde, muss ich an Frau Adnan denken, sie hatte vor einigen Jahrzehnten einen soliden Gedichtband über verschiedene Sonnen, die Galaxis und viel nahöstliches Blut geschrieben, ihn auf Arabisch gedacht, Französisch verfasst und ins Englische übersetzt. Letztlich habe ich ihn für viel Geld in der deutschen Fassung erworben, doch das nur nebenbei. Auf jeden Fall fand sich darin ein Gedicht mit der Nummer 39, nicht ganz so grotesk, doch bezaubernd brutal. Den Kontext lasse ich des Platzes wegen außen vor und möchte nun “Die Nacht gehört den Aussätzigen” rezipieren:

Wenn CK und BOSS von Armut zeugen

Wenn die Schuhe der Existenzen vom Elend kleben

Wenn die Augen der Massen nicht mehr starren können

Wenn die Worte ihre Bedeutung verlieren und nach Ficken schmecken

Wenn Viszeralfett und Gestank die einzig harten Währungen werden

Wenn die alten Bekannten eilen um beim Verrat dabei zu sein

Wenn die Menschen klein und kleiner werden

Wenn die Ausländer die Quote schönen

Wenn die Schwuchtel zur Hete wird

Wenn sexuelle Belästigung als Tugend gilt

Wenn das Individuum sich von allein assimiliert

Wenn die Sonne nur noch als Totenhemd dient

zieht die Menschenflut weiter …

Der Säufer, die Schwuchtel, die fette Sau, der Ausländer sie alle könnten in Berlin einzigartig klein sein. Klein sein kann man auch hier, daheim. Friss sie Norm, hier oder da.

Die Nacht gehört den Aussätzigen.

Wir zerstreuen uns, die verschämten, inzwischen ausgezogenen Nutrias und ich. Zwischen uns fremde Zungen (Ukrainisch?) und verarmte Pensionist*innen. Eine rote Sonne geht auf. Mir reichts und eine weise Frau verschanzt sich in den Bergen, sterben.

Herzlich viel Spaß daheim und frohe Semesterferien!