Vielen Dank für die Bereitstellung der Karten, die diesen Bericht erst möglich machte. Das Leselust-Festival geht auch im Frühjahr weiter mit Heinz Strunk (06.02.), Lisa Eckhart (02.03.) und Axel Hacke (24.03.). Für Kinder ist mit Nina Müller (11.02.) ebenfalls gesorgt.
Am 6. Januar des gerade begonnenen Jahres 2023 durfte ein auserwählter Kreis von Gästen den Worten des Bundestagsabgeordneten und außenpolitischen Sprechers der Fraktion “Die Linke” im Bundestag Gregor Gysi im Zentrum Bayreuth lauschen. Im Folgenden finden sich Erfahrungsberichte von Anwesenden:
Erika, 58, aus Bayreuth, hat die Karte von ihren Kindern zu Weihnachten geschenkt bekommen:
“Dem Gysi höre ich einfach gerne zu, er denkt über das, was er sagt, nach und ist einer der ganz wenigen ehrlichen und authentischen Politiker, die es heute noch gibt. Ich finde es dabei beeindruckend, dass Herr Gysi einen so klaren Verstand hat, so engagiert und voller Elan den Alltag bestreitet und es trotzdem schafft, in seiner Politik auch an andere zu denken. Ich teile seine Meinung nicht, aber ich respektiere sie, da sie zum intensiven Nachdenken anregt. Der Abend hat mich insgesamt gut unterhalten – einfach ein charismatischer, attraktiver Mann der Gysi. Besonders gefallen hat mir, dass Nelson Mandela Respekt gezollt wurde und Gysi, genau wie ich, Essen nicht sofort nach Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums wegwirft. Sein Vorschlag, eine Uni in Deutschland zur Karl-Marx-Universität umzubenennen, ist mir hingegen, trotz aller Sympathie, ein wenig zu extrem.”
Gregor Gysi, 74, aus Berlin, Politiker der Partei Die Linke, Rechtsanwalt, Autor und Moderator:
“Dieser stümperhafte Ersatzmoderator war mir in etwa so sympathisch wie Stalin, als er damals bei uns in der Küche versuchte, Witze auf Deutsch zu erzählen – erst fragt er drei Fragen auf einmal, dann passt ihm meine Antwort nicht und dass meine Metapher der sieben Leben sich nicht darauf bezieht, dass ich mich als Katze verstehe, sollte ich nicht erklären müssen. Das zweite Glas Weißwein hat mich gut durch die zweite Hälfte gezogen, das will ich nicht leugnen.”
Alice, 72, war 1968 zu schüchtern, hat sich mittlerweile jedoch von Adenauer emanzipiert und ist nun bereit für junge, revolutionäre Politik von links:
“Ich bin schockiert, mein Leben lang war die zivilisierte Welt, trotz Anspannungen im kalten Krieg, friedlich und jetzt plötzlich gibt es Krieg im deutschen Vorhof. Unser Kanzler redet von Waffen, in Lützerath untergraben militante Terroristen das staatliche Monopol legitimer physischer Gewalt, das Geld entwertet und das Wirtschaftswachstum stagniert. Die Geschichte kannten meine Eltern schon, doch während die nach rechts schmachteten, schiele ich, ganz heimlich, nach links. Trotzdem ist natürlich klar, dass die Lösung nur eine stabile aus der Mitte sein kann. Etwas wagen muss man trotzdem, deswegen ziehe ich es in Betracht, bei der nächsten Wahl die, zumindest nur in Teilen, radikale SPD zu wählen. Heute haben wir (zusammen mit Freundin Maria und ihrem Mann Jan) uns gegen Günther Jauch und Tatort und für Gysi entschieden. Spannend war es allemal, ansehnlich ist der Herr Gysi in Bild und Sprache, der Wein war für meinen Geschmack jedoch ein wenig zu warm.
Ralf, 47, aus Sachsen, tut sich schwer, Gysis DDR-Kindheit retrospektiv einzuordnen:
“Nu ja, nadürlich is das problemadisch, was der damals gemacht hat, im dienste eines systems zu orbeiten, was nu emal nisch wirklisch demogratisch organisiert war. Aber man muss nadürlich och seine rehabilitation in der Zeit nach der wende berücksischtigen und sich angugen, wie er mit seiner vergangheit umgegangen ist, also sein fünfdes und sechsdes leben, um es ma in seinen eischenen worden zu formulieren. Irschendwie hats och was bonzenhaftes, was er so aus seiner kidnheid in Berlin erzählt und da kann er noch so oft wiederholen, es hädde in der DDR kene soziale ungleichheit gegeben. Ob ich jedze hier alles, was er polidisch so erzählt, gud finde? Sicherlich ni alles aber och ni nüscht, gerade im punkto krieg isses gud, dass es och positionen wie die seinige gibt. Man mergt schon, dass er lange im politischen betriebt tätisch wor, aber isch muss och mal sagen, dass an ihm en ständup komidiän verloren gegangen is.”
Moritz Vogt und Lukas Baderschneider, 21, Schreiberlinge:
“Das Jahr 2023 schreit wie jedes Jahr nach linken politischen Lösungen. Fakten zu schaffen versuchen jedoch andere, etwa am Tempelberg in Jerusalem oder im Parlament in Brasilia. Daher ein Glücksfall, dass sich die Identifikationsfigur zeitgenössischer linker parlamentarischer Politik, Gregor Gysi, nach Bayreuth wagt, – wo man mit ca. 2% ähnliche Ergebnisse wie “dieBasis” erzielte – um vor allem über sich selbst zu reden, und das für schmale 25,90€. Die Halle war voll, der Preis hat Angebot und Nachfrage also effizient versöhnt; trotz alledem fehlten vor allem die kläglichen Noch-Lumpenproletariar der Studierenden quasi gänzlich. Dies antizipierend und in wütender Schockstarre über den gen 0 visionierten Eintrittspreis, machte sich das Reporter-Duo Vogt/Baderscheider also auf, um dem Abend unter diesem journalistischen Multiplikatorvorwand kostenlos über die Gästeliste beiwohnen zu können. Erfolgreich gelang der Pakt, wir haben uns also kostenlose Kultur ergaunert. Gysi, also Herr Gysi, der Bürger, nicht zu verwechseln mit dem Politiker, konnte sich spielend leicht profilieren und viele Bayreuther wagten einen heißen, und somit natürlich peinlich oberflächlichen, Flirt mit gezähmter linker Politik. Gysi würden fast alle zumindest noch bis Croissant und Kaffee am nächsten Morgen mitnehmen, doch dieser ist schon längst weitergezogen nach Erlangen. Sein üppig angebotenes, massig handsigniertes, Bucharsenal bietet da zumindest schwachen Trost. Zurückblieben zwei traurige Gauner mit der bedrohenden Selbstverpflichtung zu Berichten über einen Abend ohne nennenswerte Geschehnisse.”
- Der Messias beim Signieren - 31. Januar 2023
- Von Besinnung und Vorsätzen - 25. Dezember 2022
- Don‘t hate the player, hate the game. - 13. Dezember 2022