PAS (EN) WOKE

Mehr Glanz für Gloria

Ein Thema zu finden für die nun erscheinende Ausgabe des Falters war nicht ganz leicht. Die Sommerpause und der damit einhergehende Gedankenhalbschlaf ließen mich weitestgehend jeglichen kreativen Ehrgeiz verlieren. Bei der Ausgabe handelt es sich ja nun auch um die Erste, welche unser Herbst/Winter-Nachwuchs in die angstschweissfeuchten Erstlingsgriffel gedrückt bekommt und zudem um die Erste, welche ich als Co-Chefredaktionierende*r zu verantworten habe. Vielleicht sollte nun mein textliches Ejakulat ein wenig Gravitaszuwachs erhalten? Ganz im Gegenteil. Vom höchsten Ross lässt es sich doch am schönsten treten. Nur wer sollte die Tritte nun kassieren? Schon wieder unsere Lieblingsgrünenmelange? Oder doch lieber einmal die juristischen Durchschnittsversager? Am liebsten alle beide. Wenn man nach Gemeinsamkeiten der Birkenstockis und der Stoneislandpullitrottel sucht, stößt man unweigerlich auf das Thema der Faunenverfälschung und der Statussymbole. Zum einen halten sich in beiden Gruppen Individuen auf, welche dort Neozon und eigentlich völlig unpassend sind, zum anderen definieren sich in beiden Gruppen die ihnen angehörigen durch skurrilste Accessoires und normiertes lächerliches Gehabe. Was des Betriebswirtschaftslernendens Guccigürtel ist, das sind der Kulturwissenschaftsstudentin ihre Achselhaare. Beides möglichst groß und demonstrativ getragen und für den kultivierten Betrachter ein Graus, gar eine Qual. Ebenso verhält es sich um die während der Sommerszeit fleißig geteilten Bilder auf den sozialen Medien. Während der Kapitalistennovize sein ganzes, während des Semesters zusammengespartes Kapital darauf verwendet das obligatorische Bild vom Mittagstisch im Sennequier mit dem zugegeben wunderschönen Geschirr posten zu können, kann es sich der Batik und Bart tragende angehende Wohltätigkeitsschmarotzer nicht verkneifen uns allen mit Bildern aus seiner Gemeinnützigkeitstätigkeit zu überfluten. Gemein haben Veganer und selbsternannte Mitglieder der Oberklasse vor allem, dass sie es uns wenigstens einmal am Tag mitteilen müssen.

Nun aber genug der Schelte, wir wollen ja mit einer positiven Nachricht ins neue Semester starten. Was uns in der Vergangenheit auch mindestens einmal am Tag aufs Neue ins Bewusstsein gerufen wurde ist das Ableben des tattrigen britischen Staatsoberhaupts und die damit verbundene ewige Diskussion über die scheinbar veraltete und völlig überholte Staatsform der Briten. Das Gekreische der Aufregungsleistungsträger rund um die Welt war groß, als sich Elizabeth II in ihre ewigen Jagdgründe zurückzog. Zum einen diskutieren wir jetzt wieder fleißig über die kolonialistischen Frevel der englischen Krone zum anderen halten wir es natürlich für unfassbar ungerecht, dass Charles III keine Steuern auf sein Erbe von konservativ geschätzten sechshundert Millionen Euro zahlen muss und zu guter Letzt darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass das britische Staatsoberhaupt und mithin auch Chef des größten Staatenbundes auf absehbare Zeit rein männlich sein wird (vorausgesetzt natürlich dass sich keiner der Erben einer Geschlechtsumwandlung unterzieht). 

Mein persönliches Interesse tangieren die vorgenannten Punkte nicht im mindesten. Vielmehr beneide ich unsere Eilandnachbarn für ihre Regentschaftsfamilie, welche ihnen angesichts der immer neuen Krisen vor allem eines gibt: Halt und Haltung. Wie schön wäre es denn, wenn auch wir an unseres Staates Spitze einen Monarch hätten, der aufrechten Ganges durch die heruntergekommene Hauptstadt schreiten würde, mit einem milden Lächeln und nichts anderem zu tun, als der verarmenden berliner Lumpenszene tröstend die Hand zu reichen und der Nation palliativ beizustehen? Es fragt sich nur, wer in Gottes Namen und von Gottes Gnaden diese Aufgabe zur allgemeinen Zufriedenheit ausfüllen könnte. Es ist wohl auszuschließen, dass die Briten uns im Rahmen einer cultural restitution den angenehmen Teil des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha – mithin die allgemein als Windsor bekannte Herrscherfamilie – zurückgibt.

Die Hohenzollern sind mit ihren gerade vorhandenen Familienmitgliedern eher ein wenig schmuddelig, fast wirken sie raffgierig und wie eine Familie von Bürgergeldempfängern, die den Hals nicht voll genug bekommen. Die Habsburger kommen aus physiognomischen Gesichtspunkten nicht in Betracht. Staufer gibt es nach meinem Wissensstand nicht mehr. Jetzt könnte man sich freilich bei den sonst noch übrigen Königsfamilien umschauen, aber der Anblick der zweiten Reihe ist dem der Ersten nicht gerade überlegen. Einzig seine königliche Hoheit Prinz Marcus von Anhalt wäre zumindest unter komödiantischen Gesichtspunkten ein aussichtsreicher Kandidat. Da wir aber einen Staatsmann und keine Koksmaschine mit erhöhtem Konkubinenverschleiß bräuchten, würde ich die Begründung eines neuen Adelshauses vorschlagen: das neue Königs- ach was Kaiserhaus Söder.

Dass der Herr Doktor das Zeug hätte zum ordentlichen Regenten, ist schwer zu Leugnen. Seit seiner Inthronisierung in Bayern glänzt unser Landesvater mit leicht autokratischem Führungsstil, einem ausgeprägten Darstellungsbewusstsein und einer stetig in die Breite wachsenden Leibesmitte. Neben den vielversprechenden Qualitäten des Kaiser Markus gäbe es auch noch einen Aspekt, der selbst die kritischsten Feministinnen von meinem Konzept überzeugen müsste: In der Erbfolge gäbe es nicht, wie bei unseren britischen Nachbarn, den Missstand eines männlichen Thronanwärters, sondern eine kaiserliche Prinzessin Gloria-Sophie, welche nicht ohne Grund schon jetzt den Namen Gloria die Große verdient hätte.

Als angenehmer Nebeneffekt ließe sich noch erwähnen, dass ein solches Zukunftskonzept die Wiederholung der Geschichte (siehe den feministischen Wahlsieg in Italien und siehe auch politische Entwicklung in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts) unmöglich machen würde. Der neue Kaiser würde die extremistischen Griffe nach der Macht von Links und Rechts gleichermaßen mit ruhiger Hand abweisen, hätte Friedrich sicherlich auch getan, wenn er denn die Möglichkeit dazu gehabt hätte.

Nun gut. Die Träumereien einmal wieder beiseite gelegt kann man nur wünschen, dass es euch auch ohne neuen Monarchen weder an Halt noch an Haltung fehlt, wenn die kalten Monate bringen was sie Versprechen und die Nebenkostenabrechnungen zur Tür hereinflattern. In diesem Sinne und mit preußischer Haltung wünsche ich einen guten Start ins Semester und einen heißen Herbst (natürlich wetterbedingt).

Lukas Sperling
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