Bayreuth im Raum

Im Folgenden soll es darum gehen, wie sich Bayreuth als Stadt mit ungefähr 75 tausend Einwohner*innen in die deutsche Verkehrsinfrastruktur eingliedert. Den ersten positiven Punkt, den es zu benennen gilt: Da ihr den Artikel gerade lest, habt ihr es immerhin einmal hierhergeschafft. Bei genauerer Betrachtung ist dies doch gar nicht so trivial, wie es beim ersten Lesen vielleicht klingt.

Denn wie eben bereits geschrieben ist Bayreuth als eine Stadt mit knapp 100 tausend Menschen weder an einen ICE noch an eine Verbindung mit einem IC angeschlossen. Erster großer Nachteil meiner Meinung. Die einzige Möglichkeit schnell und effizient mit dem ICE in das verschlafene Städtchen zu gelangen: Bis Nürnberg und dann ne Stunde Erlebnis-Regio in dem einem regelmäßig übel wird oder bis Bamberg knappe 1,5 h in dem einem nicht übel wird, aber in dem man auch vergleichsweise weniger Spaß hat. So kam es also, dass Bayreuth mit der Einführung des „9-Euro-Tickets“ deutlich an Attraktivität gewann. Zu den beiden eben genannten Strecken, kommen doch noch ein paar andere Regio und Agilis Strecken hinzu, die einen in einer Stunde bis nach Hof, in vier Stunden nach Leipzig oder in- naja das wars auch schon, den Rest muss man wieder über Nürnberg und Bamberg machen. Umso schlimmer, wenn der Weg nach Nürnberg unterbrochen ist, wie es im Juli und August für vier Wochen der Fall gewesen ist und der SEV nur so mäßig funktioniert hat. In der Zeit ist man sich echt vorgekommen als würde man ein bisschen in einem Schneckenhaus wohnen, innerhalb dessen alles egal ist, was drumherum passiert. Genug der klagenden Worte, das „9-Euro-Ticket“ sollte also endlich ersehnte Freiheiten bringen, um einmal das Schneckenhaus zu verlassen und zu entdecken, was in der Republik sonst noch so alles vor sich geht. Doch bevor ich nochmal auf das „9-Euro-Ticket“ zu sprechen komme, will ich noch schnell ein paar Worte zu anderen Anreisemöglichkeiten verlieren, die es gibt, um nach Bayreuth zu gelangen.

Mein zweitliebstes Verkehrsmittel: der Bus. Meistens der Flixbus. Der Flixbus genießt in Bayreuth den Vorteil, dass er die A9 benutzen kann, um im Norden in 4 h in Berlin zu sein und im Süden in nicht ganz 4 h in München. Was will man mehr. So kann man sagen, dass es sich zumindest für mich leider oft lohnt, den engen Bus der Bahn vorzuziehen.

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass es immer ein bisschen mit Arbeit verbunden ist Bayreuth zu erreichen. Doch vielleicht ist es auch genau das, was den Ort so mysteriös macht und bei vielen nicht immer so bekannt. Nur die, die es wirklich wollen, schaffen es nach Bayreuth. Und ich glaube, dass diese doch nüchtern gesagt beschissene öffentliche Verkehrsanbindung eine gewisse Wirkung auf die Stadt hat. Sei es in der Intensität des Engagements in Initiativen, Kulturveranstaltungen oder wenigstens Bierbongtunieren und WG- Partys.

In der Zeit des „9-Euro-Tickets“ hat meine Motivation zum Engagement jedoch eher zu wünschen übriggelassen, denn ich dachte mir ich nutze die Gunst der Stunde und stürzte mich am ersten Wochenende, im Juni gleich mal in ein ganz besonderes Abenteuer. Ich hatte die Idee die wahrscheinlich weiteste Strecke, die man von Bayreuth aus fahren kann, zu testen. Mit dem Regio. Geplant: 12 h. Am Ende gebraucht: 14 h. Ihr könnt es euch denken, für mich ging es Anfang Juni nach Flensburg an der dänischen Grenze. Dort wollte ich eine Freundin besuchen, die ich seit einem Jahr nicht gesehen hatte. Die Vorfreude war dementsprechend hoch! Doch um die lange Reise und das verlängerte Pfingstwochenende so richtig auszukosten, machte ich auf dem Rückweg noch einen Abstecher über Lüneburg, wo ein anderer Freund von mir mich für eine Nacht erwartete.

So weit so gut startete ich am besagten Freitag also gegen 8 Uhr morgens, um geplant weitere 12 h später in Flensburg zu landen. Die Reise sollte von Bayreuth aus über Hochstadt- Marktzeuln, Leipzig, Magdeburg, Uelzen, Hamburg bis nach Flensburg gehen. Die erste außerplanmäßige Störung, und wer hätte es gedachte passierte bereits bei meinem ersten

Umstieg. Der Anschlusszeug in Hochstadt sollte erst eine halbe Stunde zu spät kommen, um dann komplett auszufallen. Der Anschlusszug hatte auch Verspätung, was mir eine unverhoffte Pause von ungefähr zwei Stunden auf dem Bahnsteig verschaffte. Eine, wie ich finde, Besonderheit des Reisens mit dem „9-Euro-Ticket“ ist, dass sich sehr schnell imaginäre Reisegruppen bilden. Es kommt zu einer Art Zusammenschluss von Leidensgenoss*innen, da man von Großstadt zu Großstadt oft dieselben Züge und Umstiege durchlebt. Ich bin mir sicher in den drei Monaten des „9-Euro-Tickets“ wurden einige tiefe Freundschaften geschlossen in den Regionalbahnen der Republik.

Mit der Fahrt nach Leipzig sollte dann also das Hinterherrennen beginnen. Durch die leichten Verspätungen, die nach jedem Umstieg auftraten, musste man immer ein bisschen bangen, ob der nächste Zug wartet, oder dieser vielleicht auch Verspätung hat.
Doch nach meinen Halten in Magdeburg und Uelzen lief alles wie geplant und so kam ich müde und glücklich mit einer Verspätung von 2 h um 22 Uhr im Flensburg an.

Der Rückweg gestaltete sich dahingehend nervenaufreibend, als das ich durch eine Verspätung meines ersten Zuges in Lüneburg meinen Anschlusszug in Uelzen verpasste, was meinen Puffer gänzlich zu Nichte machte. So hatte ich also ab Uelzen dieses Gefühl im Hinterkopf, dass wenn jetzt nochmal was passiert, ich nicht mehr in Bayreuth ankomme, da der letzte Zug an einem Feiertagsmontag scheinbar um halb eins in Bayreuth eintrudelt.

Doch wie heißt es so schön, Ende gut alles Gut. Ich habe Bayreuth gerade noch so erreicht, um nach einer ähnlich langen Fahrt ähnlich müde und ähnlich erschöpft ins Bett zu fallen. Schlussendlich kann ich nach 2 Jahren Bayreuth-ICE Erfahrung und 3 Monaten Bayreuth- Regio Erfahrung sagen, dass auch wenn es einem nicht ganz leicht gemacht wird aus Bayreuth zu entkommen es trotzdem möglich ist und man den Bezug zum Rest von Deutschland nicht zwangsläufig verlieren muss. Es gibt Wege oder in diesem Falle, Regios.

Lennart Fiedler
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