Neben Prof. Quaschning, Star der ScientistForFuture Szene, fanden sich 400 Interessierte pünktlich um 19 Uhr im Audimax ein, nicht unter ihnen Bayreuths Bürgermeister Thomas Ebersberger, doch mehr dazu später.
Prof. Quaschning erzählte letztendlich nichts neues in seinem Vortrag zur notwendigen Klimarevolution, das war eigentlich auch allen Beteiligten bereits vor der Präsentation bewusst. Denn wir wissen alle vom anthropogenen Klimawandel, den verheerenden Effekten, den Kipppunkten und der Ursache allen Übels. Wissen und wissen wollen, es bleiben zwei Paare Schuhe.
Ganz elegant wurde die Thematik zu einem apolitischen Sachverhalt transformiert durch das Ausklammern von Fragen globaler Gerechtigkeit und Kooperation. Denn 2015 hat sich die Weltgemeinschaft in Paris quasi geschlossen auf die Begrenzung der globalen Erwärmung, unter eigenverantwortlicher Umsetzung, auf deutlich unter 2 Grad verpflichtet. Mit dem Verfassungsgerichtsurteil 2021, welches die Einhaltung des Abkommens einfordert sind damit ja wohl alle relevanten Fragen geklärt. Die Perversion der 2015 getroffenen Scheingleichheit der Verantwortung aller Nationen sei vermerkt, und auch die Notwendigkeit einer tatsächlichen globalen Kooperation, aber eben diese Simplifizierung potenzierte das Gesagte gar.
Denn der Schrei “hört auf die Wissenschaft” hat in politisch höchst komplexen Fragestellungen teils einen selbstentmündigenden Charakter. Was sich meist dahinter verbirgt ist der Wunsch nach einer Politik, die kompetent und konsequent agiert, da dies dann aber zwingend bedeutet entgegen den kurzfristigen Individualinteressen der hiesigen Wählerschaft zu handeln ist das im volatilen System der Demokratie beim bestehenden gesellschaftlichen Selbstverständnis leider eine bloße Utopie. Damit dieser Appell nicht autoritäre Züge annimmt, muss er sich neben der Politik vor allem an die legitimierende Basis richten und diese mit den umfassenden verfügbaren wissenschaftlichen und normativen Erkenntnissen zu einer Gesinnungsänderung bewegen. Das ist mühselig, träge und so gar nicht revolutionär, doch es ist der einzig erstrebenswerte Weg der Veränderung.
Dass der Reduktionspfad des liebenswert zerrissenen Graphengroßmeisters Habeck mit dem Pariser Abkommen weder in Theorie noch aktuell in Praxis konform geht, ist traurig, aber lange bekannt. Kann man das Ruder also noch herumreißen? Quaschning denkt schon, wie er mit seinem Beispiel der rasant gelungenen technischen Weltrevolution des Smartphones demonstrierte, welche vor 20 Jahren auch undenkbar erschien. Es ist also eine Frage des Willens, nicht des Könnens. Bürgermeister Ebersberger musste all den Input erstmal verarbeiten, also nicht diesen, aber der stattdessen besuchte ÖBG ist sicherlich auch nicht reizarm. Wie die Transformation technisch aussehen muss und was schlichtweg nicht Teil dieser Transformation sein kann wurde anschließend anschaulich und gut verpackt skizziert. An einigen Stellen wurde dabei lauthals gelacht, wieso auch nicht, über die Zukunftsvision heimatloser Niederländer:innen mit ihren Wohnwägen in Bayern darf man ja wohl noch grinsen dürfen.
Nota bene – wie Prof. Stadelmann sagen würde, etwa in der Woche zuvor in der Ringvorlesung Nachhaltigkeit, als er erklärte, dass ökonomisch erst eine Erderhitzung um 6 Grad Celsius kritisch wäre – es muss alle Kraft sofort und kompromisslos in eine nachhaltige Transformation investiert werden.
Was das konkret bedeuten könnte wurde in der sich anschließenden Podiumsdiskussion mit umsichtigen Leuten, wie der im 8. Semester befindenden Elina Dilger vom Klimaentscheid Bayreuth und von mächtigen Leuten, wie der pünktlich zu seinem Auftritt erscheinende Bürgermeister Ebersberger, diskutiert. Dass sich dieser auf die Bühne traute, mag ihm zugutegehalten werden, für meine Seelenruhe wäre die fortgeführte unpersönliche Vorstellung eines alten CSU-Manns dieser Konfrontation mit sich peinlich aufdrängender Inkompetenz jedoch vorzuziehen gewesen. Mal zog sich dieser in die Opferrolle der übergeordneten föderalen Strukturen zurück, nur um dann seine grünen Individualakte herauszustellen, so kann man ihn angeblich nur noch einmal die Woche im Auto auf Arbeit antreffen, das müsse ja wohl in seiner Position reichen. Auch nicht fehlen durfte die obligatorische Betonung seines fortgeschrittenen Alters, um damit Autorität oder so etwas einzufordern. Die Krone setzte er dann jedoch in seinem Schlussplädoyer auf, in welchem er der beliebten Phrase “Ich habe großes Vertrauen in die Technik” noch den liebevollen Nebensatz “und die junge Generation” anfügte. Vor 50 Jahren hätte eine solche Frechheit zumindest verbale Gewaltausbrüche zur Folge gehabt, aber man wurde ja sittlich und hat Respekt selbst für intellektuelle Bremsklötze entwickelt.
Im Anschluss ergab sich für Soziolog:innen eine hervorragende Möglichkeit die Beziehung von Frust und Lust weiter zu ergründen. Selten hat man so viele labile Seelen beobachten können, welche durch Snacks und Bier ihre Existenz zu stabilisieren versuchten.
Im Grunde also alles wie immer.
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