Von Sebastian Kleine Kuhlmann
Im dritten Stock in der Maximilianstraße wohnt es sich hervorragend. Eine schöne Aussicht, eine zentrale Lage – was will man mehr? Es ist, als hätte man die perfekte Wohnung. Bei schönem Wetter scheint die Sonne hinein, man kann bei einer Tasse Tee die Leute beobachten, die auf der Straße ihrem Tagewerk nachgehen und manchmal, aber wirklich nur manchmal, hört man mehr oder weniger laute Empörte. Zugegeben, einige davon kommen öfter und regelmäßiger vorbei als andere. Hierbei tun sich besonders die sogenannten Querdenker hervor. Man kann beinahe die Uhr danach stellen: Montagabends, etwa um 18:30 Uhr, erreicht der Zug den Sternplatz, schwenkt nach rechts auf die Maximilianstraße und zieht wenig später unter den Fenstern der Bewohner vorbei. Dabei verwenden sie allerlei Gerät, um auf sich selbst und ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Da wird auch schonmal eine Pfanne zweckentfremdet und zusammen mit einem Kochlöffel zur Trommel umfunktioniert. Fast kann man alle, die Wert auf ihre Pfannen legen, entsetzt sagen hören „Das ist aber nicht gut für die Beschichtung!“ worauf der Pfannentrommler wohl entgegnen würde, dass es wichtigeres als die Teflonbeschichtung einer alten Bratpfanne gebe. Womit er ja prinzipiell auch nicht ganz Unrecht hat. Wenn man allerdings in bester Don Quijot’scher Manier gegen Windmühlen kämpft, sollte man seine Bratpfanne wohl in Frieden lassen. Über was genau sich empört wird, wird bei einer Beobachtung des Aufzuges auch nicht klar: Da gibt es Schilder, die in Personalunion eine Rückkehr zum Grundgesetz von vor der „P(l)andemie“ fordern (ganz so, als ob dieses sich geändert hätte) und den Bundeskanzler drängen, vom nuklearen Abgrund zurückzutreten (ganz so, als hätte Olaf Scholz einen sinnlosen Krieg begonnen). Ja, wirklich eine kuriose Melange, die sich dort Montagabends versammelt und als gemeinsamen Nenner wohl nur das Dagegensein hat. Doch damit nicht genug: Auch Straßenmusiker stören hin und wieder die Ruhe. Gibt es etwas schöneres als Musik, um eine langweilige Lektüre zu versüßen? Wohl kaum! Wenn man dann aber zum dritten Mal an einem Tag das Thema von „Der Pate“ hört, hat man dann langsam doch genug. Für die meisten von uns ist der Langeweilehaushalt trotz allem Interesse am eigenen Studienfach nach der dritten Lektüre des Tages recht voll. Zumindest in der Hintergrundbeschallung wäre da etwas Abwechslung ganz schön. Ein Alternativvorschläge zur Güte: Der Soundtrack von „Der Pate 2“ ist den Bewohnern der Maximilianstraße bislang gänzlich unbekannt und sicherlich ebenfalls für die Beschallung geeignet.
Wer all das aber ausblenden kann, oder seine eine Playlist sowieso auf Dauerwiederholung hört, sieht sich in der Maximilianstraße in bester Nachbarschaft: Mehrere Eisdielen, die angesichts vergleichbar guter Qualität bei gutem Wetter nach Länge der Schlange gewählt werden können; Juweliere, die durch schöne Schaufenster erfreuen; und nicht zuletzt eine Augenoptikerdichte, die ihresgleichen sucht. Je nachdem, welches Bedürfnis einen gerade so umtreibt, sei es die Suche nach einer neuen Sehhilfe oder der Bedarf nach etwas süßer Kühle, für jeden ist etwas dabei. Wer derweil noch schnell seine Einkäufe erledigen muss, kauft im nahen Netto – oder Dienstags und Donnerstags direkt auf der Straße, quasi vom Erzeuger.
In der Maximilianstraße trifft sich ganz Bayreuth, von Schülern über Studenten bis hin zu Pensionären ist alles anzutreffen. Wie passend, dass sich da auch regelmäßig Mitarbeiter von mehr oder weniger windigen NGOs antreffen lassen, die keine Gelegenheit auslassen, jeden, der nicht schnell genug vorbei läuft anzusprechen, ob man nicht zum Preis von nur einem Kaffee die Welt retten wolle. Gut, bei der aktuellen Preissteigerung könnte das in nicht allzu ferner Zukunft wohl möglich sein. Bis dahin ist das Geld aber im Kaffeebecher genauso gut aufgehoben, steigert dieser doch auch noch das Wohlbefinden und macht selbst „Den Paten“ erträgliche Hintergrundmusik.
Martha Gellhorn sammelt in ihrer Buchreihe „Der Blick von unten“ ihre Reportagen aus über 60 Jahren journalistischer Tätigkeit. Wer einmal für einige Monate oder gar Jahre in der Maximilianstraße wohnt und lebt, könnte wohl eine Sozialstudie Bayreuths herausgeben. Titel: „Der Blick von oben“. Nur im Erdgeschoss darf die Wohnung freilich nicht gelegen sein.
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