#Essenretten – Straßenblockaden für den Klimaschutz

Bayreuth ist nicht Berlin. Ein geflügeltes Wort, das zum Bedauern vieler Studierender normalerweise der Wahrheit entspricht. Am vergangenen Dienstag, 15.02., konnte man allerdings eine kleine Ahnung davon bekommen, was in Bayreuth ansonsten häufiger an der Tagesordnung wäre. Im Rahmen einer Aktionsreihe der Initiative Aufstand der letzten Generation hat eine Gruppe junger Aktivisti zwei Straßen blockiert.

Von Eva Manegold

Autoscheinwerfer leuchten direkt in die Gesichter der fünf Menschen, die an der Ecke Wittelsbacherring/ Friedrichstraße auf dem Zebrastreifen stehen und mehrere Banner halten. Auf diesen steht „Essen retten – Leben retten“. Einige Bayreuther*innen queren die Straße zu Fuß, sie kommen vom Einkaufen, sind auf dem Heimweg. Sie begutachten die Szene größtenteils interessiert und auch ein wenig verwundert: In Bayreuth sind solche Aktionen nicht Normalität, da wird nachgefragt und länger hingeschaut. Andere dagegen sitzen im Auto, sind Teil einer immer länger werdenden Schlange. Sie haben gar nicht erst die Wahl, ob sie die Gruppe Aktivisti zur Kenntnis nehmen wollen oder nicht.

„Die Idee vom Aufstand ist, den Protest ins ganze Land zu tragen“, erklärt Luca Thomas, 20 Jahre alt, Geoökologiestudent und eins der Mitglieder der Gruppe. Dieser Aufstand der letzten Generation, wie sie sich selbst nennen, begann bereits im September, als sich der Klimaaktivist Henning Jeschke für 27 Tage in den Hungerstreik begab. Ihm und sechs weiteren Hungerstreikenden geht es darum, Druck auf die neue Bundesregierung auszuüben, damit die Politiker*innen die Klimakrise angemessen ernst nehmen. Die Forderung: Es sollen zeitnah politische Maßnahmen ergriffen werden, sodass Deutschland das Ziel der 1.5-Grad-Grenze doch noch einhalten kann. Dazu heißt es auf der Twitterseite von Aufstand der letzten Generation auch: „All das, was bisher getan wurde und gerade getan wird, reicht nicht. Oder anders formuliert: Wir sind in einer Krise, aber wir sind nicht im Krisenmodus.“

Das übergeordnete Ziel der Initiative ist dasselbe, die Strategie, nämlich Straßen- und Autobahnblockaden, ist neu. Seit einigen Wochen fordert sie die Ausarbeitung und Umsetzung eines Essen-Retten-Gesetzes auf Bundesebene. Ein ähnliches Gesetz gibt es zum Beispiel bereits in Frankreich. Laut einer Studie des BMEL bewirkt Lebensmittelverschwendung in Deutschland circa 4% der Treibhausgasemissionen, insgesamt werden jährlich mindestens 12 Millionen Tonnen weggeworfen. Davon entfallen circa 4% auf den Handel, 30% auf die Produktion und Herstellung und 52% auf die privaten Haushalte. Gemäß einer Studie von WWF sind es sogar mehr als 18 Millionen Tonnen. Gleichzeitig ist Containern, das Entnehmen von Lebensmitteln aus den Müllcontainern der Supermärkte illegal. Auf diese Weise Lebensmittel zu retten sollte entkriminalisiert werden, fordern die jungen Menschen jetzt auch auf den Bayreuther Straßen.

Luca Thomas sagt dazu: „Uns ist bewusst, dass dieses Gesetz nur ein Tropfen auf dem heißen Stein wäre. Uns geht es aber vor allem um eine möglichst schnelle generelle Reduktion der CO2-Emissionen. Da erscheint uns die Rettung von Lebensmittel als Weg des kleinsten Widerstands, um ein Umdenken zu bewirken.“

Deshalb sind auch weitere Aktionswellen auf Bundesebene geplant. Selbst wenn das Essen-Retten-Gesetz nicht umgesetzt wird, will die Initiative nacheinander eine Reihe von weiteren Forderungen stellen. Genau wie die Forderung nach einem Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung sollen sie einfach verständlich sein und im besten Fall sogar positive Auswirkungen auf den Alltag der Menschen haben. Um das durchzusetzen und sich Aufmerksamkeit zu schaffen, setzt die Initiative weiterhin auf Störung als Protestform, wie etwa durch die Blockade von Straßen und Besetzung öffentlicher Infrastruktur.

Diese Form des Aktivismus hat auch zu Kritik von diversen Politiker*innen, Journalist*innen und von Seiten der Zivilbevölkerung geführt. Als „neue Form der Kriminalität“ wird sie von Justizminister Marco Buschmann, FDP, bezeichnet, der am liebsten sogleich eine neue Sonderabteilung in der Staatsanwaltschaft initiieren würde. Dabei ist den Aktivisti von Aufstand der letzten Generation durchaus bewusst, dass sie sich mit den Blockaden keineswegs nur Freund*innen machen. Eine klare Kommunikation ihrer übergeordneten Ziele, aber auch ein überzeugendes Framing der drastischen Klimanotlage sind deshalb auch Bestandteil der Strategie. Insbesondere während der Blockade selbst ist es herausfordernd, sich den teilweise sehr negativen Reaktionen der betroffenen Autofahrer*innen auszusetzen.

„Es ist schockierend, dass wir überhaupt gezwungen sind, zu diesem Mittel zu greifen, um politisch Gehör zu bekommen. Das ist nur nötig, weil die Warnungen von Wissenschaftler*innen oder auch dem Bürgerrat Klima nicht genug Berücksichtigung auf bundespolitischer Ebene finden“, findet Thomas.

Die Mitglieder der Initiative greifen auch zu anderen Aktionsformen, um auf die Absurdität der Lebensmittelverschwendung und der aktuellen Gesetzeslage aufmerksam zu machen. In Bayreuth verteilen sie immer wieder containerte Lebensmittel oder retten diese öffentlich aus den Müllcontainern und zeigen sich danach selbst dafür an. Das ist zwar weniger öffentlichkeitswirksam, aber dürfte deutlich weniger Bayreuther*innen verärgern als der Stau auf dem Nachhauseweg.