Hilf Hubbatz!

Von Raphael Guba

Juhu, der Hubbatz ist Vogel des Jahres geworden! Für die weniger Vogelbegeisterten – der Wiedehopf. Er ist inzwischen äußerst selten in Deutschland – auch weil er und seine Brut auf eiweißreiche Insekten verzichten muss, die in unseren vergifteten Agrarwüsten und versiegelten „Gärten“ kaum mehr überleben können. Ein mehr oder minder verwässertes Volksbegehren und zu kurz reichende kommunale Initiativen (Bayreuth: Nektarlose Einwegblumen, Kirschlorbeer) sollen dem ein Ende setzen, nicht dem Hubbatz sondern dem Insektensterben. Wir können da wenig ausrichten, vor allem, wenn einigen von uns mit aller Gewissheit die Balkonpflanzen dahinsiechen. Mein Vorschlag wird dem Wiedehopf vorerst nicht weiterbringen, er kann nichts mit unseren städtischen Betonschluchten anfangen, aber immerhin dem ein oder anderen Gartenrotschwanz den Magen stopfen oder Distelfalter vor das heimische WG-Fenster locken.

Hier möchte ich drei Fensterkästen mit guten Erfolgstendenzen vorschlagen. Bestenfalls sollten sie alle eine semesterferienbedingte Verwahrlosung halbwegs überstehen. Vorgeschlagen soll eine Mischung aus heimischen sowie exotischen Nutz-, Zier- und Wildpflanzen werden, welche, zumindest im Geringsten, ästhetischen Ansprüchen genügt und gleichzeitig Lebensraum und Nahrung bietet. Alle Pflanzen sind mehrjährig oder säen sich von selbst aus. Die Kästen müssen also bis zum Ende deines Studiums und darüber hinaus nicht neu bepflanzt werden. Wichtig ist, die abgestorbenen Pflanzenteile erst im Frühjahr zu entfernen, damit Wildbienen darin überwintern und die Samen im Blumenkübel verstreut werden können. Die vorgeschlagenen Kräuter sollen sehr wohl blühen, dies tut ihrem Geschmack keinen Abbruch und freut alle nektarliebenden Insekten.

Grundvoraussetzung ist ein kleines Investment:

  • Bewässerungsbalkonkasten mit Wassertank (die Mehrkosten zahlen sich in den Semesterferien aus)
  • Sicherung für den Kasten, dem Standort entsprechend
  • Füllung aus frischem Kompost/Aufzuchterde, Lavasplitt und Blähton (zu gleichen Teilen)
  • Pflanzen und Saatgut von guter (Bio-)Qualität (besser sparsam setzen, die Arten breiten sich aus)

Wüstenkasten: Dieser Blumenkasten ist vor allem für Standorte in der prallen Sonne gedacht, dementsprechend müssen auch seine Bewohnerinnen mit widrigsten Gegebenheiten zurechtkommen. Für die folgenden Arten darf das Substrat gerne mit Sand gestreckt und der Kompostanteil deutlich gesenkt werden.  Empfehlenswert sind verschiedenste Sedumarten, sie blühen reich und verlässlich schon früh im Jahr und bilden dekorative Polster und Rasen. (Sedum acre, Sedum album, aber auch exotischere Arten). Strukturbildend und herrlich exotisch wirkend, können zwischen diesen Polstern Hauswurze (Sempervivum sp.) oder gar winterharte Kakteen (Cylindropuntia whipplei) wirken, sie blühen aber weitaus seltener. Dazwischen finden magentafarbene Karthäusernelken (Dianthus carthusianorum) geeignete Nischen. Sie benötigen bis zur Keimung etwas feuchteres Substrat, erweisen sich aber ausgewachsen als besonders ausdauernd. Bei regelmäßigem Wässern (alle ein bis zwei Wochen) können auch mediterrane Kräuter wie Lavendel (Lavandula angustifolia), Salbei (Salvia officinalis) und Currykraut (Helichrysum italicum) gesetzt werden, ihre Wurzeln brauchen aber Raum. Für kleinere Kästen sollte sich an die vorherig genannten Arten gehalten werden. Viel Freude mit deiner ganz persönlichen Wüstenei!

Halbwegsheimische Magerwiese: Dieser Vorschlag richtet sich an sonnige und halbsonnige Standorte, die doch wöchentlich mäßig gegossen werden. Längere Abwesenheiten können durch einen vollen Wassertank überbrückt werden. In der Regel erholen sich die Pflanzen nach einer längeren Dürre bei guter Pflege relativ gut. Dieser Kasten ist inspiriert von unseren heimischen Magerwiesen, einem der artenreichsten Ökosysteme in Deutschland. Bei der folgenden Empfehlung werden auch nicht-heimische, aber artverwandte Pflanzen genannt. Auch sie sprechen eine Vielzahl von Lebewesen an. Selbstverständlich sind auch rarere, aber schwieriger erhältliche Kombinationen aus den Artenkomplexen möglich. Zunächst möchte ich mit einem allseits bekannten Frühlingsblüher mit hohem Vermehrungspotential raten – dem Elfenkrokus (Crocus tommasinianus). Ihn steckt man am besten im Herbst in die Erde und kann sich von nun an alle Jahre wieder an seinen zart-lilafarbenen Blüten erfreuen. Als Pflanzen oder Saatgut empfehle ich zudem Wiesen- oder Steppensalbei (Salvia pratensis; Salvia nemorosa), diese blühen reich und lange. Ebenfalls reizvoll sind zarte Scabiosen wie Knautia arvensis, die sonnengelbe Färberkamille (Anthemis tinctoria), die violett blühende Wiesenflockenblume (Centaurea jacea), aber auch die bereits genannte Kathäusernelke (Dianthus carthusianorum). Ebenso dankbar sind Berglauch und Verwandte (Allium lusitanicum), welcher nebenbei köstlich schmeckt. Voila – eine blühende Blumenwiese.

Fensterbankgrotte: Die letzte Topf-Konzeption ist für das Fenster am dunklen Innenhof gedacht, der nicht allzu schnell austrocknet. Sollten dennoch Zweifel bestehen empfiehlt es sich das offene Substrat (gerne mit höherem Kompostanteil) mit Moos oder Splitt abzudecken, um einer schnellen Verdunstung vorzubeugen. Die folgenden Gewächse sollten die meiste Zeit in einem mäßig feuchten – nicht nassen – Untergrund stehen. In diesem Zusammenhang würde ich als Frühlingsblüher das heimische Kleine Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) im Herbst als Zwiebel setzen. Lenzrosen (Helleborus orientalis) und Palmblätter (Helleborus foetidus) bilden einen immergrünen und bienenfreundlichen Grundstock, zwischen dem sich auch Winterschachtelhalm (Equisetum hyemale) relativ problemlos ausbreitet. Diese Pflanzen bilden vor allem im Winter ein exotisch anmutendes Ensemble, das an ein Dickicht aus Palmen und Bambus erinnert. Auch Pfefferminz (Mentha x piperita) gedeiht hier rasant und äußerst besitzergreifend! In großen Kübeln findet auch die Aufrechte Waldrebe (Chionodoxa luciliae) einen geeigneten Lebensraum, wo sie von Juni bis August zart-rosa blüht. Tropische Aussichten, trotz Kälte und Schattendasein – fast wie bei Tita Giese, aber nur fast…

Illustration: Anna Kinner für Falter