Das Bayreuther Verbrechen

Im August 2020 ereignete sich eine Gewalttat in Bayreuth. Eine Spurensuche hinter den hoheitlichen Fassaden der Wagner-Stadt.

Constance Viehbeck

Samstag, 17. April 2021: Ich laufe durch die stille Bayreuther Innenstadt und höre einen True Crime Podcast. Während ich durch die leeren Straßen gehe, blickt mir ein dirigierender Richard Wagner ernst entgegen. Seine Werke überschreiten die Wände des Festspielhauses und prägen die Stadt als Gesamtkunstwerk. Trotz der schönen Fassaden passt die Stimmung zu dem Podcast. Die Moderatorin schildert die Details zum Doppelmord in Schnaittach. 2017 erschlug ein junger Mann seine Eltern mit einem Zimmermannshammer. Mein Atem stockte als ich erfuhr, dass Schnaittach nur etwa eine halbe Stunde von Bayreuth entfernt ist. Das mit True-Crime Podcasts ist so eine Sache. Solange sie Morde schildern, die nicht unmittelbar vor der eigenen Haustüre stattfanden, sind sie eine willkommene Abwechslung. Meinen Freunden und mir gefällt es, bei gemeinsamen Weinabenden über die Psyche von Mördern zu diskutieren. Aber je näher diese Taten, desto realer werden sie. Was ich nicht wusste: das Verbrechen war mir näher als je zuvor.

Am 21. April berichtet die ZDF-Sendung Aktenzeichen XY.. ungelöst über ein Gewaltverbrechen, das sich in der Nacht des 19. August 2020 in Bayreuth ereignete. Ein 24-Jähriger war von Passanten leblos neben einem Radweg entdeckt worden. Der Radfahrer fuhr vom Emil-Warburg-Weg, wenige Meter von der Universität, Richtung Oberkonnersreuth, wo er kurz nach Mitternacht tot aufgefunden wurde. Bei der Untersuchung des Leichnams stellte man fest, dass der Radfahrer aufgrund massiver Gewalteinwirkung durch ein Messer starb. Weil der Angriff so plötzlich und gewaltvoll geschah, konnte sich das Opfer nicht wehren. Die Ermittlungen laufen schon seit fast einem Jahr, doch der Täter ist den Behörden weiterhin unbekannt. Man vermutet, dass der Mörder männlich ist und einen örtlichen Bezug zu Bayreuth hat. In Kontrast zur Mehrheit der Morde, kann in diesem Fall keine Beziehung zwischen Opfer und Täter hergestellt werden. Somit hatte der Mörder vor der Tat kein konkretes Opfer im Visier. Die Sonderkommission der Kriminalpolizei erweitert ihre Hinweissuche auf alle Personen, die dem Täterprofil entsprechen. Hinweise aus der Bevölkerung werden unter der Telefonnummer (0921) 506 24 44 entgegengenommen. Mit einer ausgeschriebenen Belohnung von 10.000 Euro erhofft man sich Hinweise zur Aufklärung des Gewaltverbrechens.

Zwischen den Eisdielen und dem städtischen Dinosaurier verbirgt sich die dunkle Seite Bayreuths. Diese ist schwer greifbar, doch man möge sich an die tiefe Prägung durch Richard Wagner erinnern. Seine Kunst vereint Gespaltenheit. Diese bewegt sich zwischen aufgeklärter Rationalität und des Menschen tiefsten Abgründen. So beschrieb auch die Polizei den Mord in Oberkonnersreuth als Ausdruck des „absoluten Zerstörungswillens“ des Täters.

Constance Viehbeck
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