Eins fehlt uns Studierenden besonders – unser „Studentenleben“. Nach all den verpassten Abenden, Feiern und Campuspartys sind die Erwartungen nach Corona umso größer. Aber sind diese Vorstellungen noch realistisch oder reden wir uns die Zeit vor Corona viel zu schön?
Amelie Dümler
Jetzt, da es so langsam danach aussieht, dass das „normale“ Leben wieder zurückkehrt, fragt man sich, wie unser Leben, vor allem als Studierende, wohl nach Corona wirklich aussehen wird. Wird man alle verpassten Clubabende nachholen und sich mit all denjenigen flüchtigen Bekannten treffen, mit denen man vereinbart hat: „Wenn es wieder lockerer wird, werden wir wieder was starten.“ Oder haben wir uns mittlerweile so sehr an die an einer Hand abzählbaren Kontaktpersonen gewöhnt und finden unsere entspannten „zwei-Gläser-Weinabende“ doch gar nicht so doof? Ob allein am Freitagabend oder zusammen mit Freunden am Küchentisch, in den vergangenen anderthalb Jahren hat man sich die ein oder andere Nacht in den schillerndsten Farben ausgemalt. Eins hatten alle gemeinsam – sie waren unvergesslich.
Aber wenn man dann wirklich auf der Tanzfläche im Club steht, ist dann das Gefühl vom vibrierenden Bass in der pulsierenden Menge genauso, wie man es sich wieder und wieder vorgestellt hat? Ist unsere Sehnsucht tatsächlich so groß? Oder greift einfach der psychologische Effekt der kognitiven Verzerrung? Denn es liegt im Wesen des Menschen, dass er genau die Dinge beschönigt, die gerade nicht „erhältlich“ sind. Und Clubabende sind gerade eben nicht drin. Vielleicht verdrängen wir all die schwitzenden Leute auf der Tanzfläche, die betrunken ihr klebriges Getränk auf dich schütten, aber das beinahe gar nicht mehr registrieren. Vielleicht beschönigen wir auch jene anstrengende Nacht, in der wir insgeheim lieber selig schlafend im Bett gelegen hätten, aber dann doch mitgezogen sind, nur um nicht die Feiernacht zu verpassen, die auch noch nach vielen Jahren immer wieder zum Gespräch wird. Haben wir uns unser Vor-Corona-Leben etwas zu gut geredet? Wahrscheinlich dürfen wir unsere Erwartungen nicht so hochschrauben. Realistisch denkend in das „Leben nach Corona“ gehen. Denn wie schade wäre es, wenn die von uns riesig aufgebaute Mauer aus vorfreudiger Erwartung nach dem ersten Mal Ausgehen schon gleich wieder zusammenfiele?
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