Uni(di)versität?!

Patriarchat, Gender Pay Gap, Mansplaining – brauchen wir Feminismus? Brauchen wir ihn in Bayreuth? Um der Frage auf den Grund zu gehen, richten wir den Blick – was bietet sich mehr an – direkt auf unsere Universität. In den kommenden Ausgaben nehmen wir unter die Lupe, was im Alltag oft untergeht: Frauen in der Wissenschaft.

Heute: Die Informatik

Von Cornelia Mohren und Meike Schneiders

Siri und Alexa sind Feministinnen? Fehlalarm. Auf die Beleidigung „Du bist eine Schlampe“ antwortete die eine 2017 „Ich würde erröten, wenn ich könnte“, die andere  „Danke für das Feedback“. Das schreit geradezu nach Geschlechterdiskriminierung.

Sexistische Algorithmen und Programmierungen haben in den letzten Jahren des Öfteren für negative Schlagzeilen gesorgt. Ob in zielgerichteter Werbung, beim Online-Shopping oder bei der Eröffnung von Konten – eigentlich sollen uns Algorithmen dabei helfen, die besten Entscheidungen zu treffen. Unser Anspruch an die Technologie ist klar: Neutral und objektiv soll sie sein. Vergessen wird dabei jedoch oft, dass hinter all den Daten und Codes, die den Algorithmus ausmachen, Zielvorgaben stecken. Diese Zielvorgaben sind von Menschen gemacht sind und können daher – genau wie wir – diskriminieren. Die Liste an Negativbeispielen ist lang. So fand die NGO AlgorithmWatch heraus, dass Bilder von nackter (meistens weiblicher) Haut, vom Instagram-Algorithmus besonders hoch im Newsfeed der Nutzer:innen gerankt werden. Systemen wie Microsoft, IBM und Face++ wird vorgeworfen, leichter weiße Männer als schwarze Frauen zu erkennen, der Twitter-Algorithmus bevorzugt weiße Menschen in Bildausschnitten. Algorithmen reproduzieren also, was sie beigebracht bekommen. Greifen sie auf Datensätze zurück, die ihnen etwa zu einem Großteil weiße Männer zeigen, lernen sie am besten, deren Gesichter zu erkennen. Um der Diskriminierung entgegenzuwirken, werden Datensätze und automatisierte Entscheidungen mittlerweile immerhin zunehmend auf diskriminierende Muster geprüft.

Auch die zugrunde liegende Wissenschaft – die  Informatik – hat mit Geschlechterungerechtigkeit zu kämpfen. Dabei ist ihre Geschichte, anders als man es heute vermuten würde, eine ziemlich weibliche: Bis in die 1950er Jahre hinein war das Programmieren größtenteils Frauensache, die allererste “Programmiererin” der Geschichte war Ada Lovelace. Im neunzehnten Jahrhundert entwickelte die Mathematikerin einen Algorithmus, mit dessen Hilfe die Rechenmaschine Analytical Engine die Bernoulli-Zahlen ausrechnen konnte. Die Programmiersprache, deren Fundament sie damit legte, wurde in der 1970er Jahren nach ihr benannt. Jedoch galt der Job als arbeitsintensiv, wenig anspruchsvoll und war dementsprechend kaum angesehen, ein weiterer Bürojob eben. Programmieren ist wie Abendessen vorbereiten“, soll Grace Hopper, eine weitere Frau, die die Informatik prägte, der „Cosmopolitan“ noch in den 60er Jahren gesagt haben. Nach der Rückkehr vieler Männer aus dem Krieg, und der Weiterentwicklung der Informatik, stieg das Ansehen – und damit zog es immer mehr Männer in die Branche.

Dass Frauen einst die Informatik geprägt haben, merkt man an den Hochschulen heute nicht mehr. So lag 2014 der Anteil an Akademikerinnen im Bereich der MINT-Fächer bei gerade einmal 20 Prozent. Das gilt genauso für die Informatik – weibliche Vorbilder gibt es also kaum. Auch unter den Studierenden sind Frauen deutlich unterrepräsentiert.  Während im ersten Semester der Frauenanteil noch bei gut einem Viertel liegt, sinkt dieser bei den Bachelor-Abschlüssen auf nur noch etwa 21 Prozent. Diese Ungleichheit überträgt sich dann von den Universitäten in die Arbeitswelt. Von den gut acht Millionen Beschäftigten im Bereich waren 2019 nur 1,3 Millionen weiblich. Mit diesem Frauenanteil von etwa 16 Prozent in der IT-Branche liegt Deutschland im Europavergleich auf einem der letzten Plätze. Selbst bei agilen Start-ups der Branche haben gerade einmal 15 Prozent eine (Mit-)Gründerin. Unterstützt wird dieses Ungleichgewicht zusätzlich von der Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau ein IT-Unternehmen verlässt, bevor sie die höchste Managementebene erreicht, doppelt so hoch ist wie bei ihren männlichen Kollegen. 

Viele Universitäten versuchen daher, gezielt Frauen für entsprechende Studiengänge zu gewinnen. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin bietet zum Beispiel seit 2009 einen reinen Frauenstudiengang an. Damit das Erfolg haben kann, braucht es auch mehr weibliche Vorbilder, die mit klischeehaften Darstellungen zur Informatik und Tech wie etwa in der Serie “The Big Bang Theory” brechen. Außerdem muss es leichter werden für Frauen und nicht-weiße Menschen, Investor:innen für ihre Projektideen bekommen, um dann das Bild der Techszene zu verändern.

Noch stoßen solche und ähnliche Ansätze vielerorts auf heftigen Gegenwind, das Patriarchat lässt grüßen. Unter einem Artikel in der mit dem Titel “Was tun gegen Software, die Frauen diskriminiert?” etwa musste ein Großteil der Kommentare mittlerweile gesperrt werden. “Ich gehe auch nicht davon aus, dass einzelne Projekte, wie mein feministischer Datensatz oder die feministische künstliche Intelligenz, unsere Technologie als Ganzes feministischer und gerechter machen können. Aber ich denke, dass solche Projekte ein erster Schritt sind, um einen Wandel anzustoßen.” schließt die Autorin nüchtern den oben genannten Zeit Artikels ihren Text.

FeministIN

Erst vor zwei Wochen fand der ökumenische Kirchentag statt – ein Versuch der christlichen Kirchen, sich modern zu präsentieren. Denkt man an Kirche, hat man oft das Bild von einem weißen alten Mann im Kopf. Das versucht Maria 2.0 zu ändern. 500 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers plädiert die Bewegung für sieben neue Thesen. Darunter die Forderung nach Gleichberechtigung bei der Besetzung kirchlicher Ämter, selbstbestimmter Sexualität und der Abschaffung des Pflicht-Zölibats in der katholischen Kirche. Ein Meilenstein, nicht nur für Frauen, sondern für alle Christ:innen im 21. Jahrhundert!

FeministOUT

Kann eine zweifache Mutter Kanzlerin sein? Eine Frage, die Annalena Baerbock in letzter Zeit – im Gegensatz zu ihren Kontrahenten im Kampf um das Kanzleramt – auffallend häufig gestellt wird. Und die zeigt: Auch nach 16 Jahren Angela Merkel sind wir von Gleichberechtigung in der deutschen Politik noch weit entfernt. Gleichzeitig kursieren auf sozialen Netzwerken Falschmeldungen und gefälschte Bilder, nach denen sich Baerbock als Erotikmodel habe ablichten lassen. Dieser mediale Umgang mit der Kanzlerkandidatin der Grünen ist ein trauriges Abbild einer patriarchalen Gesellschaft und damit absolut FeministOUT!

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