Lachen gegen das Regime. Ein lustiger Film für eine traurige Zeit.
Von Ben Weidler und Hanno Rehlinger
Was die Autorität am sichersten unterminiert, ist das Lachen. So, oder so ähnlich schrieb Hannah Arendt in ihrem Aufsatz über Macht und Gewalt. Schaut man Miloš Formans „The Firemen‘s Ball“ wird die einfache Wahrheit dieses Satzes schnell offensichtlich. Kein Wunder, dass er im sowjetischen Tschechien nach drei Wochen Laufzeit „für immer verboten“ wurde.
Eine Feuerwehrbrigade lädt in einer tschechischen Kleinstadt zu einem Ball, in dessen Mittelpunkt die Verleihung einer goldenen Axt an einen „man of worthy distinction“ steht – der ehemalige Präsident der örtlichen Feuerwehr. Während des Balls entwickeln sich mehrere Handlungsstränge. Während einer der Feuerwehrmänner damit beschäftigt ist, den Gabentisch für die Tombola zu bewachen, sucht eine Gruppe von anderen Feuerwehrmännern Mädchen für den Schönheitswettbewerb. Die Gewinnerin des Wettbewerbs soll dann die Ehre erhalten dem man of worthy distinction seine goldene Axt zu überreichen.
Die Schönheitswettbewerbs-Delegierten sind vier kleine Herren in Anzügen, die ziemlich unverhohlen an das kommunistische Politbüro erinnern. Lüstern und spießig prüfen sie erst Brüste, dann Beine, dann Gesicht und versuchen die unwilligen Mädchen zum Wettbewerb zu drängen. Während diese Parallele zur kommunistischen Parteiführung nicht abzustreiten ist, scheint der Film noch aus anderen Gründen den Unmut der Autoritäten auf sich gezogen zu haben. Der Philosoph Slavoj Zizek meint, dass die Genialität der frühen Filme Formans gerade darin läge, sich nicht über die herrschende Klasse lustig zu machen, sondern über die Arbeiter, die der herrschenden Klasse als stumme Masse zur ultimativen Rechtfertigung dienten – auch zur Rechtfertigung der russischen Panzer, die dem Prager Frühling, nur wenige Monate nach der Premiere des Films ein abruptes Ende setzten.
Während die eine Gruppe von Feuerwehrmännern den jungen Mädchen hinterherrennt, muss der Gabentisch-Delegierte zusehen, wie nach und nach erst Kuchen, dann Brandy und schließlich auch die Presswurst vom Tisch verschwinden. In der Sowjetunion hat jeder gestohlen, sagte Forman einmal selbst über den Film. Das allgemeine Motto sei gewesen: „Wer nicht selbst stiehlt, stiehlt von seiner Familie!“ Das sahen die sowjetischen Behörden natürlich anders.
Zum Schluss des Films diskutieren die Feuerwehrmänner über das zuletzt vollständige Verschwinden der Tombola Preise. Sie wurden alle gestohlen, zu großen Teilen von den Feuerwehrmännern selbst. Der entscheidende Ausspruch, der letztlich zu dem „Verbot für immer“ des Films führte, ist: „Das Ansehen meiner Brigade ist mir wichtiger als meine Ehrlichkeit!“
Das Kuriose ist, dass die Empörung des Regimes über die Verballhornung der einfachen Leute von diesen gar nicht geteilt wurde. Es spielten im Gegenteil mehrere der Feuerwehrmänner aus dem Dorf in dem Film selbst mit und verteidigten ihn auch später gegen Vorwürfe von regimenahen Kritikern.
Das half aber alles nichts: der Film wurde verboten. Forman sollte seinem Produzenten alles aufgewendete Geld zurückzahlen und geriet in politische Probleme. Trotzdem nahm das Ganze noch eine gute Wendung, als François Truffaut, ein Freund Formans, die Rechte kaufte und der Film so seinen Weg in den Westen fand – wo er große Erfolge feierte. Hierhin folgte ihm der in Ungnade gefallene Regisseur bald und wurde dem westlichen Publikum durch Filme wie „One Flew Over The Cuckoo’s Nest“ und „Amadeus“ bekannt.
Es war uns ein Anliegen, keine Pointen in der Besprechung des Filmes vorwegzunehmen, um niemandem die Lust am Schauen zu vermiesen. Bis dahin bleibt der geneigten Leserin also nichts anderes übrig, als uns beim Wort zu nehmen, wenn wir versichern, dass dieser Film nicht nur entzückend lustig, sondern auch auf sonderbare Weise wunderschön ist. Im Übrigen kann es heutzutage nicht schaden, sich mit der Kunst des Filmens unter Zensur wieder vertraut zu machen.
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