Ein Semester normal, eines digital – vom plötzlichen Umbruch eines Studentenlebens
von Lena Fiala
Vor genau einem Jahr ging es für mich los: mein erster Tag an der Uni – ein neuer Lebensabschnitt. Ich hatte mich gründlich vorbereitet: ein Zettel mit allen Einführungsveranstaltungen, die ich mir ansehen wollte, sollte mich durch diese ersten Tage begleiten.
Trotzdem passierte mir gleich am ersten Tag ein Fauxpas: Ich landete im falschen Raum und musste zehn Minuten nach Beginn der Veranstaltung feststellen, dass ich hier überhaupt nicht hingehörte. Also bat ich alle aus meiner Reihe aufzustehen und mich wieder herauszulassen. Endlich draußen angekommen, kam ich natürlich zu spät zu der Einführung, die ich eigentlich gesucht hatte.
Ein Highlight in diesen Tagen: Die Campusführung. Ich bekam zwar nicht viel vom Campus und seinen Gebäuden mit und irrte daher in den folgenden Wochen wenig zielstrebig herum, bis ich meiner Orientierung einigermaßen vertrauen konnte. Aber dafür lernte ich viele Studierende aus anderen Studiengängen kennen, mit denen ich mich während der Führung unterhielt und inzwischen sind aus einigen dieser Begegnungen gute Freundschaften geworden.
Zusammen wagten wir den ersten Besuch in der Mensa: Erst einmal schauen, wie das mit dem Karte- Aufladen eigentlich funktioniert… Nachdem diese Hürden der ersten Tage, inklusive eines ereignisreichen Mensaabends, gut überstanden waren, begann der Ernst des Unilebens:
Ich hatte meine ersten Vorlesungen und Seminare. Mein Mitbewohner half mir dabei, mich im Dschungel von Campus Online, cm life und e-Learning zurecht zu finden und zusammen meldeten wir mich für die richtigen Kurse an. Gleich zur ersten Vorlesung war ich zu spät und hatte daher keinen blassen Schimmer davon, worum es ging – sehr zum Leidwesen meiner Sitznachbarin.
In den nächsten Wochen ging es aufwärts, ich gewöhnte mich schnell an meinen neuen Alltag: ein paar Vorlesungen hier und da, dann mal wieder Pause, in die Bib, Mittagessen in der Mensa oder auch einfach mal Kaffee trinken. So einige kuriose Charaktere unter den Dozent*innen sowie den Studierenden waren auch dabei, eine vertieftere Meinung dazu sollte ich mir erst im Verlauf des Semesters bilden. Mehr als einmal dachte ich dabei an den Satz meines Mitbewohners: „Im Studium kommen so viele unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Hintergründen zusammen, da triffst du Persönlichkeiten, mit denen du noch nie in deinem Leben zu tun hattest“.
Aber was viel wichtiger war: Selbstverständlich gab es nicht nur Lehrveranstaltungen am Campus, sondern auch jede Menge anderer Events. Da war zum einen die bayerische Woche (inklusive Afterparty), dann die Mensaparty, das Running Dinner, die Nikofete oder auch gemeinsame Treffen beim Winterdorf bzw. im gemütlichen WG-Wohnzimmer. Unumgänglich war ohne Frage der Genuss eines erstklassigen Totengräbers im Kanapee. Als ich auch dieses Ritual hinter mich gebracht hatte, konnte ich mich endlich eine echte Bayreutherin nennen.
Nach Weihnachten begann meine erste Klausurenphase: Sechs Klausuren in einer Woche, das war nicht ohne. Und in den Semesterferien dann erst einmal Geld verdienen. Hätte ich gewusst, dass nach den Semesterferien alles anders sein würde, hätte ich vielleicht weniger Zeit hinter der Verkaufstheke in einer Bäckerei in meinem Heimatort verbracht. Aber wer konnte das schon wissen?
Ende März kam dann die E-Mail des Grauens: ein rein digitaler Semesterstart sollte es sein, und das zuvor so schöne Studentenleben wurde von heute auf morgen auf den Kopf gestellt: Anstatt Austausch auf dem Campus gab es nun leere, zeitweise mit Gesichtern gefüllte Kacheln auf Zoom. Mein Laptop wurde mein bester Freund und engster Vertrauter, gezwungenermaßen mussten wir mehr Zeit zusammen verbringen als je zuvor.
Erst mit der Zeit merkte ich, was mir alles abging: Nicht nur, dass es keine Veranstaltungen oder Feiern gab, die zuvor noch so selbstverständlich gewesen waren, nein, noch nicht einmal meine heiß ersehnten Treffen mit meinen geliebten Freuden im WG-Wohnzimmer waren möglich. Die Häufung an schriftlichen Abgaben zwang mich zudem in einen 9-to-5 workday, aber sieben Tage die Woche!
Und dabei hatte ich zuvor so oft gehört: „Der erste Sommer in Bayreuth wird der Beste. Das wird echt krass!“ – tja, hier war er nun, mein erster Sommer in Bayreuth. Krass vielleicht schon, aber gut ist was Anderes. Als die Beschränkungen langsam wieder gelockert wurden, war es dafür das beste Gefühl überhaupt, mit einer Gruppe von fünf (!) Leuten ins Kreuzsteinbad zu gehen.
Am Ende des Semesters war ich so weit, dass ich schon vergessen hatte, dass ich ja früher oft in der Mensa zu Mittag gegessen hatte, woran ich erst wieder erinnert wurde, als ich mir die Bilder aus dem ersten Semester in meiner Galerie ansah. Umso enthusiastischer war ich deshalb, als ich nach der Wiedereröffnung zum ersten Mal wieder in den Frischraum ging. Dort gibt es jetzt zwei Schokoriegel zum Preis von einem, vielleicht hatte der Lockdown also doch etwas Gutes.
Nichtsdestotrotz kann ich nach diesem jähen Umbruch nur hoffen, dass im nächsten Semester wieder mehr Leben auf den Campus und in die Stadt kommt, denn so gerne ich meinen Laptop habe, ich verstehe doch mehr unter meinem Studium, als ständig nur vor ihm zu sitzen.
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