Der Autor des 2019 erschienenen Krimiromans „Jagdtrieb“ veröffentlicht unter seinem Pseudonym „Hendrik Esch“ wilde Geschichten aus dem Leben des jungen Anwalts Paul Colossa. Im echten Leben ist er, richtig – Rechtsanwalt. Im Interview erzählt Hendrik Esch, was er in seinem Arbeitsalltag als Anwalt alles erlebt und wie er auf seine schrägen Geschichten kommt.
Das Interview führte Lena Fiala
Warum verwendest du als Schriftsteller ein Pseudonym?
Warum ein Pseudonym? Weil mich unter meinem richtigen Namen ziemlich viele Menschen als Anwalt kennen und, weil es in meinen Romanen manchmal extrem unseriös zugeht. Ich will vermeiden, dass meine Leser glauben, ich wäre als Anwalt genauso ein schräger Vogel, wie die Hauptfigur meiner Romane – der junge Rechtsanwalt Paul Colossa.
Worum geht es in deinen Romanen?
Mein erster Colossa-Roman erschien unter dem Titel „Jagdtrieb“. Es war ein schöner Erfolg! Ich erzähle, wie der clevere, junge Paul aus München eine Kanzlei in der bayerischen Provinz übernimmt und da in einige überraschend finstere Abgründe hineinblickt. Beruflich und persönlich. Im Mittelpunkt steht der Fall einer jungen Russin und eines Stalkers. Auf dem Cover steht „Kriminalroman“, aber ich bin nicht sicher, ob es das trifft? Es ist sicher mehr als das. Und anders. Ein Anwaltsroman eben. Mein zweiter Roman „Giftrausch“ erscheint im Frühjahr 2021. Paul Colossa hat darin als Anwalt Ermittlungen in einem berühmten Internat übernommen und gerät dabei auf Abwege. Am dritten Roman schreibe ich gerade. Es wird um ein Attentat und eine Geiselnahme in München gehen.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Schreiben wollte ich mein ganzes Leben schon. Ich habe immer wieder damit angefangen, aber abgebrochen. Um einen kompletten Roman durchzuziehen, braucht man ungeheure Kraft, Geduld und Disziplin. Vor ein paar Jahren habe ich dann als Anwalt einen ziemlich krassen Fall betreut, der mir persönlich sehr zugesetzt hat. Und da war ich plötzlich so weit. Das Schreiben hat mir damals geholfen, meine Gedanken wieder richtig zu ordnen und … sagen wir mal, es einfach rauszulassen!
Wodurch wirst du inspiriert?
Meine Inspiration ist ohne jeden Zweifel mein Job. Als Anwalt erlebst du viel krassere Dinge, als man sich das vorstellen kann – weil man so viele verschiedene Menschen trifft, ganz nah dran ist und sich in deren Geschichten hineindenken muss. Ich weiß genau, wie ein Mörder tickt. Ich weiß, wie ein Herzchirurg arbeitet. Ich kenne Betrüger, Drogendealer und Waffenhändler persönlich und die haben mir ihre intimsten Geheimnisse erzählt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man mitten aus dem sonnigen Alltag in eine unfassbare Katastrophe geschleudert wird. Abgesehen davon ist mein Beruf aber auch saukomisch, unbeschreiblich witzig und manchmal einfach wahnsinnig schön. Darüber schreibe ich.
Wie schreibst du normalerweise?
Ich habe natürlich eine richtige „Schriftstellerklause“. Ein Zimmer voller Bücher, mit einem gemütlichen Ohrensessel, guter Musik, tollen Bildern und einem zauberhaften Blick auf alte Bäume. Manchmal aber schreibe ich einfach abends in der Küche, im Zug, im Flugzeug oder zwischen zwei Prozessen in der Gerichtskantine.
Wer ist dein Vorbild in Bezug auf das Schreiben?
Ich habe nicht wirklich ein literarisches Vorbild. Das was ich schreibe, ist mein ganz eigenes Ding. Ich wechsle gern zwischen literarischer Hochsprache und rotzigem Gossenslang. Ich schreibe gern provokativ, erotisch, mit schwarzem Humor und hintergründig. Dabei lege ich großen Wert auf gute Figuren und eine ungewöhnliche Story. Es ist mir wichtig, sauber zu recherchieren und komplexe Sachverhalte einfach zu erklären, ohne banal zu werden. Natürlich mag ich Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die das draufhaben, besonders gern. Spontan fallen mir Astrid Lindgren und Walter Kempowski ein. Tolle Sprache, großartige Geschichten. Robert Harris finde ich auch extrem cool.
Was ist das Schreiben für dich?
Schreiben bedeutet für mich, meine verschrobene Sicht auf die Welt mit meinen Leserinnen und Lesern zu teilen. Anwälte sind ein ungewöhnlicher Menschenschlag. Wir tun uns besonders schwer damit, „gut“ und „böse“ klar zu trennen, weil wir von Berufs wegen ständig zwischen den beiden Seiten hin- und herwechseln müssen. Aber ich unterhalte Menschen einfach auch wahnsinnig gern, bringe sie zum Schmunzeln. Lasse sie sich gruseln und ekeln. Verführe sie – zum Grübeln. Es ist eine schöne Vorstellung, zu wissen, dass da ein anderer Mensch bei sich daheim auf seiner privaten Couch sitzt und ganz allein zu mir in meine Geschichten eintaucht.
Schreibst du manchmal nur für dich selbst?
Schreiben, einfach so, nur für mich, für die Schublade – ohne es zu veröffentlichen? Nein, das ist nicht mein Ding. Wenn ich eine Story schreibe, möchte ich natürlich, dass sie gelesen wird! Und wenn ich mit Genres und Themen experimentiere – was ich mit großem Vergnügen tue – dann möchte ich das Ergebnis auch mit meinen Leserinnen und Lesern teilen.
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