Böse Frauen – Forschritt oder Mythos?
Bei all dem Gerede über Helden vergisst man glatt die Gegenseite. Aber was wäre ein Held ohne einen ordentlichen Schurken? Was wäre Sherlock Homes ohne Moriarty, was James Bond ohne den Typ mit der Katze oder Michal O`Hera ohne Elsa Bannister? Moment, Elsa Bannister?
Das ist richtig, es gibt auch weibliche Schurken. Schurkinnen, um genau zu sein. Im Film Noir der 40er Jahre spielten Frauen eine andere Rolle als wir sie von den Disney-Ausdünsten oder selbst dem französischen Kino der darauffolgenden Jahre gewöhnt sind. Böse Frauen, femme-fatale, wie man sie nannte. Diese Frauen sind hinterlistig; die dunklen Drahtzieher einer Verschwörung, die man erst in ihrem letzten bösen Lächeln völlig durchblickt. So eine spielt Rita Hayworth in `The Lady from Shanghai ́. Erst nach zwei Morden und einem Gerichtsprozess versteht der hartgesottene irische Segler, der zwar mit allen Wassern gewaschen ist, aber dem lieblichen Lächeln einer jungen Frau doch blind gegenübersteht, dass Elsa Bannister, seine Rosalie, die Fäden in der Hand hält. Sie ist die geniale Mörderin. Nur kurz nach dieser Erkenntnis verreckt sie allerdings mit einer Kugel im Bauch.
Es ist verlockend, die neue Frauenrolle im Film Noir als eine Befreiung anzusehen. Eine Emanzipation der Frau auf den Bildschirmen der Massen. Blickt man aber heute ins Kino, müsste man sich dann eingestehen, dass wenn es einen solchen Schritt gegeben hat, auf ihn eiligst zwei höfliche Schritte rückwärts gefolgt sind. Tatsächlich kann man einer so düsteren Gegenwartsanalyse aber entgehen. Es wäre wahrlich schauerlich, wenn wir in der Emanzipation heute kürzer träten, als in den vierziger Jahren. Aber wenn man genau hinguckt, waren auch die 40er keine Befreiung. Der Mythos ist hier einfach ein ungewohnter, aber keineswegs ein neuer. Die böse Frau hat es schon immer gegeben. Man denke nur an die Hexen, die zu tausenden in Europa verbrannt wurden.
Soziologen haben die böse Frau im Film Noir auf die gesellschaftliche Lage der Zeit zurückgeführt. Eine gestiegene Frauen-Kriminalität in den USA, die Ermüdung der Männer, die durch die Kriegserlebnisse physisch und psychisch geschwächt, moralisch verunsichert und oft ohne Existenzperspektive waren. Die Frauen mussten den Laden zusammenhalten, ohne männliche Hilfe, daher das Durchbrechen der Rollenerwartungen – die Frauen wurden von Opfern zu Handelnden, nicht selten zu Schurken.
Diese Zustände sind sicher relevant, um die neue Rolle der Frau im Film zu ver- stehen. Man kann sie aber auch sehr viel negativer deuten. Sicher wurde den Frau- en diese Rolle auch zuteil (und damit ist gemeint, dass sie die Rollen von den Männern, die zu jener Zeit noch fast ausschließlich die Produktion und Regie der Filme kontrollierten, zugeteilt bekommen haben), weil die Männer von den plötzlich handelnden Frauen eingeschüchtert waren. Anstatt sie aber schlicht als handelnd darzustellen, verwandelten sie sie zu inhärent bösen Wesen, hinterlistigen Sexfallen, die den armen Mann um Kopf und Kragen bringen. Kennzeichnend dafür ist auch, dass fast jede dieser `starken ́ Frauen zum Schluss eine Kugel oder schlimmeres für ihre Bemühungen erntete.
Im Vergleich dazu gibt es im heutigen Kino sicherlich Lichtblicke. Während nach wie vor massenhaft Stereotypen reproduziert werden, gibt es doch viele Filme und Serien in denen Frauen eine echte Persönlichkeit haben. Komplizierte Rollen, wie die Juli Vignion in Koslowskis melancholischem `bleu ́ gespielt von Juliette Binoche, oder, ich lass es mir nicht nehmen, Miranda Priestly in `der Teufel trägt Prada ́, gespielt natürlich von Meryl Streep. Es hat schon immer komplizierte Frauenrollen gegeben, die mehr waren als einfach nur böse, man denke nur an Lady Macbeth. Solche Rollen gab es selbstverständlich auch schon in den 40ern. Aber man hat doch das Gefühl, es werden stetig mehr.
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