Eine Glosse über den Studenten in der Heimat
Wer dieser Tage der Tätigkeit des Studierens nachgeht, findet sich des Öfteren in einer ungewohnten, und eigentlich längst überwundenen Umgebung wieder: Im trauten Heim, bei Vati und Mutti. So will es die Regierung, so will es Christian Drosten, so sei es, Corona! Kontaktsperre, Social Distancing, und sowieso bitte nicht als Virenbote durch die Republik kreuzen. Nun gut, möge das Semester also daheim beginnen, es ist ja möglich, wenn auch unter anderen Bedingungen. Wer es sich eigentlich schon im Studentenleben gemütlich gemacht hatte, gerne lange schläft, es mit der Ordnung nicht immer so genau nimmt und immer dann isst, wenn es gerade passt, lernt womöglich derzeit ganz neue Welten kennen. Wer das Pech (oder das Glück?) hat, dank Homeoffice von früh bis spät mit der Familie beisammen zu sein, ist vielleicht überrascht, wie viel Zeit man mit der Zubereitung und Einnahme von Speisen verbringen kann. Frühstück, Mittagessen, Abendessen, dazwischen noch Kaffee und Kuchen. So lässt es sich auch als Studierender leben. Kasten Oettinger? Wie wäre es denn mit einer Flasche Grauburgunder! Wilde WG-Partys? Ach schau mal, die Berliner Philharmoniker bietet ihre Konzertaufzeichnungen jetzt auch gratis an! Was ein Glück, dass man den Eltern gerade erklärt hat, wie das mit dem Smart TV noch mal genau funktioniert. Selbstverständlich kann man als selbstbestimmter Studiosus die bürgerlichen Zwänge auch abwehren. Dies gelingt am besten, indem man sich bis spät in die Nacht im Kinderzimmer allein betrinkt, während man Leidensgenossen durch Videocalls beim selbigen zuschaut. Frühstück nur bis Neun? Dann komm ich halt erst zum Mittagessen um halb 1! So manch einer wird jedoch zu seinem eigenen Ungemach feststellen müssen, dass das Leben in geordneten Bahnen auch seine Vorteile haben kann. Der freie Geist ahnt, wohin die Reise wohl einmal gehen wird, wenn erst mal Kind und Kegel, Haus und Hof da sind; vorbei die Zeiten des getriebenen Studentenseins. Und plötzlich wirkt der spießige Frührentner von nebenan gar nicht mehr so fremd… Oh Gott! Ich bin Student, holt mich hier raus!
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