Was ist eigentlich konservativ? Hierzu gibt es eine sehr gute Definition des Philosophen John Gray: „Konservatives basiert eher auf dem was als Erfahrung angesehen werden kann, als auf Begründungen. Idealvorstellung und das Praktische sind untrennbar.“
Diese Definition gibt einen guten Rahmen, den ich gerne mit Hilfe des Buchs „Konservativismus“ von Sven-Uwe Schmitz konkretisieren will. Schmitz geht davon aus, dass es sechs konservative Kerntheoreme gebe, von denen ich zwei kurz vorstellen und in Beziehung mit aktuellen politisch-konservativen Meinungen setzen werde.
Das eine Theorem besagt, dass eine werthaltige Ordnung, die entweder religiös, natürlich oder historisch bewährt ist, Vorrang vor Extremen hat. Der Mensch wird als religiöses und gutes, aber fehlerhaftes Wesen gesehen, welches in einer sozialen Gemeinschaft durch Traditionen, Autoritäten und Institutionen geleitet werden muss. Hierzu passt die viel kritisierte Entscheidung der CSU, in bayerischen Behörden Kreuze aufzuhängen. So soll die religiöse Werteordnung gefestigt und Individuen zu moralisch richtigen Handlungen angehalten werden.
Dem anderen Theorem zufolge wird eine kapitalistisch-individualistische Gesinnung abgelehnt, da sich die Gesellschaft nicht auf das Eigeninteresse ihrer Individuen gründet, sondern auf Wechselverhältnisse und Gegenseitigkeit. Wo reines Gewinnstreben vorherrsche, diene das nur dem Vorteil der Mächtigen und Reichen, und konservative Werte wie Sesshaftigkeit und Heimatverbundenheit würden gefährdet. Von diesem strengen Theorem wich die CDU mit der Einführung der sozialen Marktwirtschaft ab, ohne dieses komplett aufzugeben. So nimmt Deutschland am kapitalistischen System teil und betont mit den Sozialversicherungen die gegenseitige gesellschaftliche Verantwortung.
von Markus Hesse
Wer über Liberalismus in Deutschland redet, der kommt am Grundsatzprogramm der FDP nicht vorbei. So beginnt die Verortung zwangsläufig bei einer Partei, die mit pinker Schrift auf gelbem Hintergrund und schwarz-weißen Lindner-Bildern hipp zu machen versucht, was über 200 Jahre alt ist.
Die liberale Denkart verbindet einen ausgeprägten Individualismus mit dem Recht auf Freiheit und der Idee von einem Staat, der als Garant für Rechtsstaatlichkeit eintritt, sich darüber hinaus aber nicht in die Belange der Menschen einmischt. Er gibt den Rahmen vor, der dem Individuum Platz zur Selbstentfaltung einräumt, denn nur der Einzelne kann bestimmen, was am besten für ihn ist. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung münden schließlich in einem Leistungsprinzip, das besagt, dass Erfolge immer aus eigener Anstrengung heraus generiert werden müssen, ohne staatliches Zutun. Die Freiheit des Individuums lässt sich nur aufrechterhalten, wenn auch Märkte, Wettbewerb und Berufswahl uneingeschränkt sind, denn es herrscht ein großes Vertrauen in die effizienten Kräfte des Marktes. Letztlich setzt Liberalismus auf Fortschritt durch Wettbewerb: Konkurrenz bringt mehr Anstrengung, mehr Anstrengung bringt wirtschaftlichen Erfolg, wirtschaftlicher Erfolg heißt Wachstum und Wachstum Fortschritt.
So zeigen sich klare Kontraste zwischen dem Liberalen und dem Konservativen. Denn sie sind dort gegenteilig, wo liberal fortschrittlich bedeutet und konservativ bewahrend; wo der Konservative dem Staat die Autorität zuspricht, eine „Leitkultur“ festlegen zu dürfen, während der Liberale auf eine offene Gesellschaft pocht. Sie sind unvereinbar, wo Freiheit und Sicherheit gegeneinander aufgewogen werden. Geht Sicherheit auf Kosten von Selbstbestimmung, zieht der Liberale die Notbremse. Sie schließen sich auch dann aus, wenn der Konservative zu Protektionismus greift, um zu erhalten, was von außen bedroht wird. Stattdessen tritt der Liberale für Freihandel, Globalisierung und Toleranz ein.
von Henrike Adamsen
Unterm Stricht bleibt die Erkenntnis, dass die Konservativen ein sehr pessimistisches Lebensgefühl vermitteln, da sie ihre Werte in ständiger Gefahr sehen, verloren zu gehen. Auf der anderen Seite bestechen die Liberalen durch eine sehr optimistische Weltanschauung. Probleme, die durch Märkte, Globalisierung und Überforderung durch zu viel Eigenverantwortung entstehen, werden aufgrund des optimistischen Fortschrittsglauben ignoriert.
Doch die Realität zwingt beide Lager zur Zusammenarbeit, die auf dem gemeinsamen Glauben an das Grundgerüst der Demokratie fußt. Daher müssen die beiden Parteien, trotz ihrer kontrastreichen Wertekonzepte, realpolitisch an einen Tisch kommen und sich auf Kompromisse einigen können. So zeigt sich beispielsweise im Abwägen zwischen Freiheit und Sicherheit, wie diese beiden politischen Kräfte durch ihr Zusammenwirken unsere Gesellschaft gestalten.
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