Liebe Master-Unis, warum wollt ihr einen TOEFL-Test?

Englisch genug?

Meine Freundin Hanna ist deutsch-britische Staatsbürgerin. Sie ist bilingual aufgewachsen und studiert teilweise auf Englisch Philosophy and Economics. Nun möchte sie sich für einen englischsprachigen Masterstudiengang in Frankfurt bewerben. Und selbst auf Nachfrage wird ihr bestätigt, dass auch sie den TOEFL-Test einreichen müsse. TOEFL steht für Test of English as a Foreign Language. Der vierstündige Test soll Rückschlüsse auf das Englischniveau der Testperson zulassen und wird daher bei immer mehr Universitäten zur Studiumsvoraussetzung. Für Hanna bedeutet das: 200 Euro Testgebühr, Fahrt zum Prüfungsort in Würzburg, Kauf von Vorbereitungsmaterialien und Extra-Gebühren, damit sie den Test auch für ihre Bewerbung verschicken kann. Und wenn sie sich in zwei Jahren für einen Doktorandenplatz bewirbt, ist der Test schon wieder abgelaufen. Ein besonders ärgerlicher Einzelfall? Vielleicht, aber das TOEFL-System ist auch aus anderen Perspektiven ungerecht und schlecht geplant. Ich habe ich da also ein paar Fragen an euch, liebe Unis:

Glaubt ihr echt, jeder kann einfach 200 Euro aus dem Ärmel schütteln?
Hanna hat es gemacht. Sie hat das Geld bezahlt und konnte den Test absolvieren. Aber das ist nicht selbstverständlich. 200 Euro sind viel Geld. Wenn dann auch noch Kosten für die Vorbereitung, die Fahrt zum Test und all die intransparenten Gebühren der TOEFL-Organisation dazukommen, wird es noch teurer. Und das ist eine weitere Barriere zu mehr Chancengerechtigkeit. Denn ja, einige von uns können ihre Eltern fragen, ob sie einen Zuschuss bekommen, oder haben monatlich genug zu Verfügung, um ein bisschen Geld anzusparen. Aber für die, deren Eltern es kritisch sehen, dass sie noch einen Master machen wollen oder es sich schlichtweg nicht leisten können, so viel in die Hochschulbildung ihrer Kinder zu investieren, ist diese Gebühr eine echte Hürde auf dem Weg zu einem guten Masterprogramm. Für manche Disziplinen kommen noch andere Tests hinzu – im ökonomischen Bereich zum Beispiel der GRE oder der GMAT- und an einigen internationalen Universitäten zahlt man zusätzlich eine Bewerbungsgebühr. Da kommt man dann schnell auf 500 Euro und weiß immer noch nicht, ob man überhaupt einen Studienplatz bekommt.

Wie wenig Vertrauen habt ihr eigentlich in euer eigenes Bildungssystem?
Die Bologna-Reform kam, um eine bessere Vergleichbarkeit zu schaffen. Im Prinzip eine super Idee: Ich kann den Bachelor in Bayreuth machen und mir dann jeden anderen Ort in der EU aussuchen, um mich unkompliziert für einen Master bewerben. Schön wär’s! Tatsächlich haben selbst Universitäten im gleichen Land nicht genug Vertrauen in ihre Konkurrenten, um deren Bachelorabschlüsse als vollwertig anzusehen. Wenn ein englischsprachiger Bachelorabschluss nicht ausreicht, um zu beweisen, dass man auf akademischen Niveau Englisch spricht, dann läuft etwas falsch. Entweder die Wahrnehmung der Universitäten ist völlig daneben oder sie ist richtig – aber gerade dann wäre es ihre Aufgabe, die Fremdsprachenkenntnisse der Studierenden zu fördern. Dass sie dem Test einer fremden Organisation mehr vertrauen als dem eigenen Bildungssystem, ist kein gutes Zeichen.

Könnt ihr das nicht selbst besser?
Nehmen wir mal an, die deutsche Hochschulbildung (auf Bachelor-Niveau) wäre tatsächlich so schlecht, wie die Master-Unis meinen. Glauben die wirklich, dieser Test würde das Englisch-Niveau angemessen testen? Immer wieder wird deutlich: Es geht vor allem darum, mit entsprechenden (meist teuren) Vorbereitungsbüchern zu verstehen, wie der Test aufgebaut ist und wie man seine Antwort strukturieren soll. Selbst Muttersprachlerin Hanna hat vorher für den Test geübt. Wäre es nicht sinnvoller, wenn sich die Universitäten einfach 10 Minuten mit den Kandidat*innen unterhalten, sie einen akademischen Text zum Fachgebiet lesen lassen und ein paar schriftliche Aufgaben dazu geben? Meinetwegen können sie dafür auch eine angemessene Bewerbungsgebühr nehmen, aber so hätten sie wenigstens wirklich einen Eindruck davon, ob die Person Englisch spricht oder nicht.

Also, liebe Unis, dieser Test ist nicht fair, nicht aussagekräftig und ihr untergrabt die Autorität der universitären Bildung. Überdenkt doch bitte, ob ihr den TOEFL-Test wirklich zur Zugangsvoraussetzung machen wollt. Übrigens: Es geht auch anders! Keiner der englischsprachigen Master in Bayreuth fordert einen TOEFL-Test. Für uns Bachelorstudierende vielleicht ein guter Grund, doch auch für den Master hierzubleiben.