Gastkommentar von Tobias Hauffe
Falsche Sätze werden auch dann nicht wahrer, wenn sie unermüdlich wiederholt werden. Einer dieser falschen Sätze, der in den Tagen und Wochen nach den „Bayreuther Debatten“ unermüdlich wiederholt worden ist (zuletzt in den Falter-Ausgaben 6/17 und 7/17; und in der öffentlichen Sitzung des Studierendenparlaments am 20. Juni 2017), lautet: Die Aktion „Rote Karte“ war pauschal gegen die Person Alexander Gauland gerichtet und hat sich deswegen selbst disqualifiziert.
Warum ist dieser Satz falsch? Und warum disqualifizieren sich diejenigen, die ihn mantrahaft wiederholen, selbst? Es ist eigentlich ganz einfach. Gauland trat bei den „Bayreuther Debatten“ nicht als Person auf, sondern in seiner Rolle als Spitzenkandidat der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Nun kann darüber gestritten werden, inwieweit die analytische Trennung zwischen Person und Rolle konsistent aufgemacht und durchgehalten werden kann. Gerade bei Politikerinnen und Politikern gehört zum Anforderungsprofil, Person und Rolle zu versöhnen. Der Politiker ist immer auch Person (alltagssprachlich: Mensch) – oder muss zumindest immer auch Person/Mensch darstellen, sonst wird er nicht gewählt. Dass Gauland also auch Person/Mensch ist, ist eine geradezu kindische Feststellung. Höchstwahrscheinlich trägt selbst Nordkoreas Diktator Kim Jong-un persönliche/menschliche Züge.
Nun sind die „Bayreuther Debatten“ keine kuscheligen Kamingespräche – oder sollten es eigentlich nicht sein –, in denen Damen und Herren anekdotenhaft über ihre Familie, ihre Vorlieben in Socken- und Krawattenfragen und ihre Haustiere fabulieren. (Und selbst wenn das so wäre, könnte auch hier darüber gestritten werden, inwieweit ein Spitzenkandidat einer Partei als Person spricht oder in seiner Rolle auftritt.) Die „Bayreuther Debatten“ sind – oder sollten es eigentlich sein – eine politische Veranstaltung. Diskutiert werden – oder sollten eigentlich – politische Werte und Programme. Der Spitzenkandidat einer politischen Partei ist nun zuallererst Repräsentant dieser Werte und Programme. Es ist seine Rolle. Oder im Politikerjargon gesprochen: Er ist das Gesicht der Partei.
Konkret: Gauland ist Spitzenkandidat einer Partei, in der Holocaustleugner (Gedeon), 1000jähriges Reich herbeifantasierende Geschichtslehrer (Höcke), Entartung schreiende Hochschullehrer (Tillschneider) und das Völkische (Petry) wieder eine politische Heimat gefunden haben. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Wirklichkeit.
Die Aktion „Rote Karte“ war gerade deswegen richtig, weil sie sich gegen Gauland in seiner Rolle als Spitzenkandidat richtete. Sie konnte gar nicht anders als „pauschal“ sein. Sie war zudem ausgesprochen höflich. An jeder anderen Hochschule, an der ich studiert, gearbeitet habe oder Gast war, wäre der Spitzenkandidat der AfD, liebevoll aber konsequent im Teich hinter dem Audimax abgekühlt worden – ganz vorne dabei übrigens: die Professorenschaft.
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