Plädoyer für mehr „Ich“
von Susanne Lauck
Eigentlich sollte hier ein Artikel über das Pärchen stehen, das mit einem umgebauten Schulbus die USA von Norden nach Süden bereist und darüber eine Dokumentation veröffentlicht hat. Das ist cool – klar. Zwei (natürlich) gut aussehende, offene, furchtlose, … junge Menschen packen ihre Sachen und erkunden montagelang die Welt. Da kommt Neid auf, wer kann das schon einfach machen? Und die Bilder sind auch wirklich toll, keine Frage. Das Ganze hat nur einen Haken: es ist viel zu idealistisch. Man möchte losrennen und schnellstmöglich seinen all-inclusive Griechenlandurlaub stornieren. Wo kriege ich bloß so einen Bus her?
Wir sind Denker/-innen und Kritiker/-innen. Wir sind aktiv und dabei immer politisch korrekt. Wir sind cool, lässig und weltoffen. Und wir erfinden das Reisen neu und sind stolze Weltbürger/-innen. Das ist meistens auch gut so. Gut und anstrengend, wenn wir mal ehrlich sind. Wer hat überhaupt damit angefangen? Laut Duden ist Idealismus das Streben nach der Verwirklichung von Idealen, das möglicherweise mit Selbstaufopferung verbunden ist. Das heißt also, zugunsten dieser ominösen Ideale geben wir einen Teil von uns auf. Das muss man schon erst einmal sacken lassen. Zugunsten einer abstrakten Idee, nach der man strebt, die die eigene Weltanschauung beeinflusst. Da wir Wesen in einem sozialen Gebilde sind, muss derjenige, der die Ziellinie „Idealismus“ durchläuft, das natürlich auch präsentieren. Gerne über beeindruckende Postings auf sozialen Medien oder eben auch in Form einer Dokumentation – gemäß dem Motto: think big. Wir anderen stehen staunend an der Laufbahn und reichen ehrerbietig eine Banane oder einen Schluck Wasser. Wie langweilig ist doch unser eigenes Leben. Studium, Job, Sport, die ein oder andere Party und den wenig repräsentativen Urlaub kann ich auch nicht mehr stornieren, na toll. Verdammt zu ewiger Uncoolness.
Wie der Duden schon so schön erkannt hat, kommt dabei vor allem eines zu kurz: ich selbst. Mit meiner eigenen Weltanschauung, meinen eigenen Ideen, Vorlieben und Interessen. Und mit meiner eigenen Vorstellung von einer gelungenen Auszeit. Manchmal weiß man schon gar nicht mehr, was das ist, das Selbst. Man misst sich automatisch an den geltenden Idealen unserer Generation und damit nicht unbedingt an den eigenen Maßstäben. Deshalb plädiere ich hiermit feierlich für eine selbstbestimmte Semesterferiengestaltung, wie auch immer die aussehen mag!
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